Ein Rückblick

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Nun sind wir also zurück und, wie es Christoph beschrieben hat, in der schweizerischen Realität angekommen. Mir ist dies erst im Bahnhof Biel so richtig bewusst geworden, als ich einen ziemlich grossen Klimaunterschied wahrnahm. In Schweden war das Wetter oft kühl und nass, doch strahlen die Menschen in Skandinavien viel Herzlichkeit und Wärme aus. Sie sind freundlich und sehr hilfsbereit. In Zürich und Biel wurden wir von den warmen Temperaturen überrascht, doch war sofort Hektik und mehrheitlich ein «Jeder schaut für sich» spürbar.

Ich erinnere mich sehr gerne an die schwedische Herzlichkeit zurück, sei dies in der Unterkunft in Brösarp, wo jeder, wirklich jeder Hilfe anbot oder dafür nur einmal gefragt werden musste. An die vielbeschäftigte Wirtin, die sich Zeit nahm, mir den Weg zu unserem Zimmer persönlich zu zeigen und der Ober, der ohne zu zögern, Christoph samt Rollstuhl auf die leicht erhöhte Terrasse hievte.

In grösseren Unterkünften oder Hotels war die Herzlichkeit professionell, doch auch hier musste man sich nicht scheuen, um Hilfe zu bitten. Das Servicepersonal nahm sich sogar Zeit für Gespräche. So erfuhren wir von unserem ägyptischen Kellner, dass er zwar in Kairo aufgewachsen ist, aber die Pyramiden in Gizeh und die Tempel in Assuan erst jetzt mit seiner Tochter entdeckte. Oder vom spanisch-britischen Kellner, dass er nach Stockholm ausgewandert ist, wegen seiner schwedischen Frau.

Die Herzlichkeit und Wärme von Marian und Arjan in Tived blieben unübertroffen. Sie sind Gastgeber aus Passion und Liebe zu den Menschen, was sich in ihren liebevoll ausgestatteten Häuschen und Marians schwedisch-holländischer Gourmetküche zeigt.

In Stockholm wurde es grossstädtischer, das Lächeln der Rezeptionistinnen wirkte aufgesetzt und etwas steif. Aber auch im riesigen Hotel wurden wir stets freundlich und entgegenkommend behandelt.

Mit Christoph und seinem Gefährt unterwegs zu sein ist manchmal amüsant, manchmal herausfordernd. Der Swiss Trac ist überall im Ausland eine Attraktion, was zu vielen Blicken, Kommentaren und Fragen oder gar zu Gesprächen führen kann. Ich mochte es, die Leute, die uns begegneten und ihren jeweiligen Gesichtsausdruck zu beobachten. Herausfordernd war, durch die Menschenmenge zu kommen. Ich konnte mich durchschlängeln und ausweichen, Christoph musste immer wieder abbremsen und warten. Er wird trotz der Grösse seines Gefährtes oft übersehen, vor allem von den Touristen. Da braucht es seine Geduld und meine auch. Geduld und einen geschulten Blick brauchten wir auch, wenn es darum ging, in einer Altstadt ein rollstuhlgängiges Restaurant zu finden. In den modernen Quartieren einer Stadt ist das Unterwegsein mit Rollstuhl recht unkompliziert. Davon wird Christoph noch berichten, er ist da ja der Experte.

Wie vielfältig Schweden landschaftlich ist, konnten wir dank unseres Wunderautos sehen und erleben. Die vielen Kilometer wurden zwar für uns beide eine Herausforderung. 300 Kilometer an einem Tag, mehrheitlich auf der Autobahn, waren für mich als Fahrerin ermüdend, für Christoph das lange Ausharren im Auto eine Plage. Und trotzdem haben sich all diese Mühen gelohnt. Wir haben so viel Schönes, Überraschendes und Spannendes erleben dürfen, sind von den unterschiedlichen Landschaften, der üppigen Natur und der Herzlichkeit der Menschen begeistert. Deshalb sagen wir auf Wiedersehen oder wie es die Schweden sagen: Hej då!

Fazit Mr. Ed on tour 2023

Das waren sie nun, die 16 Tage Dänemark und Schweden. 1357 km Autofahrt, sechs Unterkunftsorte und ungezählte Erlebnisse und Eindrücke. Erstes Fazit: es hat sich gelohnt!

Vor meiner etwas ausführlicheren Rückschau will ich hier noch erwähnen, dass es meine erste Reise im Rollstuhl war, die ich von einem Reisebüro organisieren liess. Die letzten Trips habe ich selber geplant und gebucht. An Reiseerfahrung fehlt es mir weder als Fussgänger noch als Rollstuhlfahrer.

Aus Sicht eines tetraplegischen MS-Patienten hat die Reise denkbar schlecht begonnen. Bereits am ersten Ort nicht die erwartete Hotelinfrastruktur anzutreffen, und das notabene um Mitternacht, ist nicht einfach nur ärgerlich. Hätte ich nicht extra drei Wochen vorher nochmals nachgefragt, dann hätte ich eine teilweise Schuld bei mir suchen müssen.

Die unsägliche Reaktion der Reisebüroberaterin auf meine geharnischte nächtliche E-Mail aus Kopenhagen führe ich auf mangelndes Wissen zurück. Ein Rollstuhlfahrer kann nicht einfach mal schnell aufstehen, den Rollstuhl unter den Arm nehmen und das Problem fehlender rollstuhlgängiger Toiletten lösen. Der Rollstuhl ersetzt unsere Beine und müssen durch die Türe passen. Punkt!

Die Ersatzunterkunft in Kopenhagen war sehr gut, die weiteren Unterkünfte ebenfalls. Vor Brösarp wurden wir vorgewarnt, dass das Hotel knapp tauglich sei. Die Befürchtung, dass es schwierig werden würde, bewahrheitete sich nicht. Das Ambiente, die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Gastgeber muss man erlebt haben. Für alles gab es Lösungen.

Bungalows in Hestra und im Tiveden Nationalpark perfekt, die grossen Hotelanlagen in Grebbestad und Stockholm gut. Das Hotel in Stockholm lag zudem supernahe zur Autovermietung, zum Bahnhof und zur Stadt. Dass die rollstuhlgängigen Hotelzimmer nicht immer den besten Ausblick haben, ist das Los von Rollstuhlfahrern. aber man will ja auch nicht den ganzen Tag im Zimmer bleiben. Darum ist dieser Punkt nicht so wichtig.

Dänemark und Schweden haben den Ruf, rollstuhlfreundlich zu sein. Dies kann ich mit einem kleinen Abstrich absolut bestätigen. Der kleine negative Punkt sind die Ausflugsboote in Kopenhagen und Stockholm. Die sind schlichtweg nicht erreichbar für Rollstuhlfahrer. Alternative Angebote habe ich nicht gefunden. Aber auch so gab es für mich in beiden Städten viel zu entdecken.

Klar, viele Restaurants sind nicht erreichbar für Rollstuhlfahrer. Aber das kennt man auch aus der Schweiz. Und wegen eines Rollstuhlfahrers pro Woche ein Restaurant im Keller rollstuhlgängig zu machen, macht nicht Sinn. Hier ist halt auch das Akzeptieren der Situation notwendig.

Die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit Rollstuhlfahrern gegenüber ist in Dänemark und Schweden vorbildlich. Nach meinen vielen Reisen weiss ich sehr wohl zu unterscheiden, ob es eine mitleidige Freundlichkeit ist oder eine ehrlich gemeinte. Und für diese beiden Länder gilt ganz klar: ehrliche Freundlichkeit!

Diese Reise war sowohl aus körperlicher als auch geistiger Sicht herausfordernd. Im Gegensatz zu meiner letzten Reise 2019 in die USA und nach Kanada ist meine körperliche Situation massiv schlechter. Vor vier Jahren bezeichnete ich mich als paraplegischer MS-Patient, der vieles noch selbstständig erledigen konnte. Bei dieser Reise nun war ich stark abhängig von meiner Begleitung. Es ist toll und ich bin dankbar, wie gut ich umsorgt wurde.

Mr. Ed on tour, die vierte Reise mit Blog, macht nun wieder etwas Pause. Wohin die nächste Reise gehen wird, steht im Moment noch in den Sternen. Norwegen, Irland, Hurtigrouten, Costa Rica – es gäbe noch so viele Reiseziele.

Und zum Schluss noch die Namensgebung für meinen Rollstuhl. Danke für die vielen Ideen. Spannend, welche Vorschläge uns erreichten. Die Wahl ist nicht einfach. Weil Vera und ich wohl auch auf unserer nächsten Reise blogaktiv sein werden, muss der Name auch etwas für die Geschichten hergeben. Und da fallen dann leider viele Vorschläge raus.

Vera hat in einem ihrer Beiträge berichtet, dass wir am Eingang eines britischen Königshaus-Fanshop von Queen Elizabeth II zum Tee geladen wurden. Was liegt nun also näher, als dem Thronfolger von Mr. Ed das „II“ anzuhängen. Zumal der neue Rollstuhl ähnliche Attitüden zeigt wie sein Vorgänger. Darum: Mach’s gut Mr. Ed und willkommen Mr. Ed II !

More to come soon. Stay tuned!

Kulinarische Bruchlandung in Zürich

LX 1251 startet in Stockholm Arlanda mit einer halbstündigen Verspätung in Richtung Schweiz. Nach der Gepäckaufgabe inklusive Suchens des Übergepäckschalters haben wir nach der Sicherheitskontrolle noch Zeit, einen letzten Kanälbulle (Zimtschnecke) zu geniessen. Ja, wir zelebrieren den Moment fast, obwohl es keine richtige schwedische Fika ist. Tee oder Kaffee fehlen.

Während des rund zweistündigen Fluges weiss ich auf einmal, was ich noch am Flughafen Zürich essen will: Spaghetti Bolognese.

Wie üblich dauert es seine Zeit, bis ich das Flugzeug verlassen kann. Erst, wenn alle Passagiere ausgestiegen sind, kommt der Dienst und transportiert mich auf einem wunderbar engen Flugzeugrollstuhl zu meinem. Und der Mitarbeiter hat doch tatsächlich den 65 kg schweren Swiss Trac vom Gepäckraum die enge Treppe hinaufgetragen und vor die Bordtüre gestellt. Dafür darf er nun noch den übergewichtigen Passagier transferieren. Toll, wenigstens kann er sich das Fitnessstudio sparen.

Nachdem wir auch wieder im Besitz der restlichen Gepäckstücke sind, den Zoll ohne Kontrolle passiert haben, machen wir uns auf die Suche nach Spaghetti Bolognese. Wohl finde ich im elektronischen Guide ein italienisches Restaurant, aber den Weg dorthin nicht. Mein Hungergefühl senkt meine Wohlfühltemperatur in die Minuszone. Am Schluss müssen wir uns bei einem Fastfoodanbieter mit Chicken Nuggets, Pommes Frites und einem einfachen Salat eindecken lassen.

Der Kreis schliesst sich. Als wir uns vor 16 Tagenvor dem Flug verpflegten, assen wir in einem namhaften Restaurant eine Foccacia, die schrecklicher nicht schmecken konnte.

Die Schweiz hat uns wieder und wir haben wieder unsere kulinarischen Sorgen. Ich wünsche mich nach Schweden zurück. Ich wüsste genau, wo ich nun essen würde. Vielleicht sollte ich den Flugplan studieren …

More to come. Stay tuned!

Stockholm entdecken

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Heute gehen wir einmal getrennte Wege: Christoph zieht es auf eine kleine Insel, auf der alte Militäranlagen und Werke von Tinguely und Nikki de Saint Phalle zu sehen sind.

Ich will eine Stadtführung per Hop on hop off-Bus machen, um etwas mehr von der Stadt zu erfahren. Die Fahrt dauert zwei volle Stunden und meine Geduld wird vom Fahrstil des Chauffeurs und von den vielen roten Ampeln strapaziert.

Hier einige meiner Erkenntnisse, die ich trotz meiner Ungeduld aus den interessanten, manchmal sogar amüsanten Informationen gewinnen konnte. Es ist eine Aufzählung, die keine bestimmte Reihenfolge einhält und überhaupt nicht historisch fundiert ist. Ein Mosaik aus verschiedensten Informationen zu Stockholm:

Am Ufer des Mälarensees wohnen die Reichen Stockholms. Hier sind die teuersten Wohnungen und Häuser der Stadt zu finden.

Am gegenüberliegenden Ufer steht das Gebäude der alten Münchner Bierbrauerei, wo vor langer Zeit Frauen die Flaschen und Fässer abfüllten. Die Brauerei sollte abgerissen werden, doch protestierten die Stockholmer und aus der Brauerei wurde ein Kulturzentrum.

Eindrücklich ist, dass eine Schleuse den Mälarensee vom Meer trennt: der Seespiegel liegt 8 cm über dem Spiegel des Meeres. Hier bei der «Schluss» (Schleuse) vereinen sich der See und das Meer. Der Untergrund der Häuser am Ufer bei der Schleuse hebt sich pro Jahr um 2mm, was bewirkt, dass sich die Häuser immer mehr zur Seite oder nach hinten neigen. Keines dieser Häuser sei gerade und alle hätten schiefe Wände und Böden.

Stockholm wurde erst zu Schwedens Hauptstadt, als sich der damalige König nach seinem ständigen Herumreisen fest in Stockholm niederliess.

Im 18. Jahrhundert ordnete der König an, dass die Häuser gelb oder orange angemalt würden, damit die dunkel wirkende Stadt heller werde. Die rote, dunklere Farbe, die Macht anzeigte, wurde nicht mehr verwendet.

Der Stockholmer Zirkus ist in einem gemauerten Rundbau untergebracht und noch heute finden dort Vorstellungen statt.

In Stockholm gibt es eine Eisbar, die das ganze Jahr auf -5 Grad Celsius hinunter gekühlt wird. Die Möblierung und die Gläser sind aus Eis und die Gäste werden mit warmen Ponchos und Handschuhen ausstaffiert, damit sie nicht frieren. Diese Bar sei vor allem im Sommer bei den Stockholmern beliebt.

Nach dieser informativen Fahrt will ich nochmals Gamla Stan, die Altstadt, besuchen. Ich bin neugierig, wie weit sich der Trubel der Touristen ausbreitet und ob es auch stille Gassen und Orte gibt. Tatsächlich ist schon eine Nebengasse der Hauptgasse kaum belebt und wunderschön, besonders da es hier weder Läden noch Restaurants gibt. Hier findet man eher Handwerker und Buchläden. Es gibt viele solcher Gassen zu entdecken, eine fällt besonders auf. Sie ist nur 90 cm breit, wird jedoch nachts auch mit Strassenlaternen erleuchtet.

Zwischendurch finde ich Plätze, die beliebte Fotosujets für Touristen sind, etwa die bunte Häuserreihe, die auf Postkarten und Souvenirs immer wieder abgebildet werden.

Ich treffe mich mit Christoph. Doch für ihn und sein Gefährt sind die unregelmässigen Pflastersteine kräfteraubend und mitunter schmerzhaft. So geniesst er einen Kaffee, während dessen ich auf die Suche nach Mitbringsel gehe. Das sollte hier eigentlich kein Problem sein, es wird eines, wenn man keinen Ramsch kaufen will.

Zum Abschluss unserer Stockholmer Zeit gibt es noch ein feines Abendessen, dann spazieren wir durch die moderne Geschäftsstrasse zurück zum Hotel.

ABBA The Museum

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Nach dem Frühstücksbuffet, das räumlich und vom Angebot her so riesig ist, dass ich mich fast verlaufe und kaum weiss, was ich mir auf meinen Teller legen soll, gehen wir wieder los. Unser Ziel: ABBA The Museum. Der Weg führt uns einem Hafen entlang, wo Fischkutter und Touristenboote nebeneinander anlegen. Die Promenade führt dem «Royal Drama Theater» und weiteren imposanten und stattlichen Palästen vorbei. Vornehme Reihenhäuser in jugendstilähnlicher Bauweise schliessen sich an, eine der teuersten Wohngegenden Stockholms. Unser Weg geht über eine weitere Brücke auf die Insel der Museen. Hier gibt es fast alles, was einen zu interessieren vermag: Kunst, Botanik, das versunkene Vasa-Schiff, das mühevoll aus dem Meer geborgen wurde, Volkskunde und noch viel mehr. Christoph hat unsere Eintrittskarten fürs ABBA-Museum online gebucht, damit wir nicht lange für Tickets anstehen müssen. Unsere Gesichter werden lang, als wir die unendliche Warteschlange vor dem Eingang der voraus gebuchten Tickets sehen. Eine halbe Stunde werden wir von ABBA-Musik auf die Ausstellung vorbereitet. Endlich ist es soweit, das hilfsbereite Personal hilft uns, den SwissTrac zu deponieren und dann geht’s los in die laute, glitzernde ABBA-Welt. Die Ausstellung ist toll gemacht, man erfährt alles über den Werdegang von Agnetha, Anni-Frid, Björn und Benny, ihre vorgängigen Solokarrieren, wie sie sich gefunden haben, die Erfolgswelle mit ihrem ehrgeizigen Manager und seiner Frau und vom Ende in Japan 1982. Die extravaganten Kostüme sind zu bewundern, deren Film zu ABBA-Avatar, die Entstehung von Mamma Mia! zu sehen. Man kann mitsingen, auf der Bühne auftreten, alles tun, was das Herz eines überzeugten ABBA-Fans höher schlagen lässt.

Nach eineinhalb Stunden verlassen wir mit dröhnenden Ohren, ein paar ABBA-Ohrwürmern und vielen glitzernden Eindrücken das Museum. Draussen empfängt uns ein stürmisches Stockholm mit einem kalten, heftigen Wind und Nieselregen, so dass wir uns möglichst schnell in die Wärme unseres Hotels flüchten.

Von Tived nach Stockholm

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Wir brechen von Tived in Richtung Stockholm auf, die letzte Fahrt in unserem intelligenten Vehikel (siehe «Moderne Fahrzeuge überfordern mich»). Zuerst zieht es uns für einen kurzen Abstecher in den Tivedens Nationalpark. Das Navi zeigt uns den Weg, die Strasse wird schmaler, der Wald rechts und links immer dichter. Nach 15 km erreichen wir den Eingang zum Park: ein riesiger Parkplatz, Infotafeln und die Aussicht auf einen See mit Inseln. Hier liesse es sich wunderbar wandern oder biken. Da wir nur wenig Zeit haben, wir müssen unser Auto um 17 Uhr in Stockholm abgeben und haben noch eine dreistündige Fahrt (ohne eingerechnete Pausen) vor uns, sehe ich mich kurz um und schiesse ein paar Fotos. Dann starte ich das Auto. Christoph findet es langweilig, den gleichen Weg zurück zu fahren (so gibt ihn das Navi an) und gibt mir seine Copilot-Anweisungen. Wir fahren wieder auf schmalen Strassen, die in noch schmalere einbiegen, zu Naturstrassen werden und irgendwo im Nirgendwo auf einem Bauernhof ein Ende finden. Das Navi zeigt uns einen Waldweg an, schmal und vermutlich ohne jegliche Chance das Auto zu wenden. Jetzt wird es auch dem Copiloten zu abenteuerlich und ich wende das Auto, solange noch Platz genug dafür vorhanden ist.

Bald sind wir auf der sicheren Strasse zurück und fahren erst über Land, immer nach Elchen Ausschau haltend, dann geht’s auf die Autobahn, wo zwischendurch die Elch-Warnschilder auftauchen. Bis kurz vor Stockholm halten sich die scheuen Tiere versteckt. Im Zoo in Stockholm hätten wir noch eine Chance …

In Stockholm lade ich zum letzten Mal unser Gepäck und den SwissTrac aus und zum letzten Mal schaffen wir den kraftaufwändigen Transfer von Christoph. Unser Hotel liegt praktischerweise nur 10 m von der Abgabestelle weg, so haben wir schnell eingecheckt und sind frei für die Entdeckung von Stockholm.

Wir gehen Richtung «Gamla Stan», der Altstadt Stockholms. Über eine der 57 Brücken der Stadt, die auf 14 felsigen Inseln erbaut wurde. «Venedig des Nordens» wird Stockholm auch genannt, dies zu Recht, denn wenn man hier unterwegs ist, trifft man immer wieder auf Wasser, das überquert werden muss, sei es ein Kanal, der Mälarensee oder das Meer.

Die Altstadt ist eine Touristenattraktion sondergleichen und entsprechend viele Menschen drängen durch die beiden Hauptgassen mit Souveniershops, Kleidergeschäften, Cafés und Restaurants. Wir lassen uns erstmal mittreiben, gehen dann die etwas ruhigere zweite Gasse zurück und lassen uns zum Abschluss des Tages in einem Restaurant verwöhnen.

Schweden ohne Elche zu sehen?

Dutzende Warnschilder haben sie uns angekündigt, Elche.und bei jedem dieser Schilder haben wir noch intensiver in den Wald geschaut. Dort hinten, könnte doch einer sein. Oder in dieser Baumgruppe. Oder zwischen und in den Gebüschen.

Zu übersehen werden die Viecher ja nicht sein, bei einer Schulterhöhe von 1,80 m. Das Gewicht über 600 kg. Ihr Geweih könne bis 2 m lang werden, 40 kg wiegen und bis zu 32 Enden haben. Nur hören wird man sie wohl kaum, ausser der Elchhirsch ist brünstig. Wir haben die Laute gegoogelt und waren überrascht, wie schwach sie rufen. Seither ist es für uns ein Runninggag, wenn wir im Auto einen Elchlaut von uns gegeben haben.

Und wieder fahren wir an einem Warnschild für welche vorbei. Blitzschnell schaue ich in den Wald und sehe unzählige Elche. Juhui, endlich! Aber es bewegt sich nichts. Im Internet werde ich dann fündig, welchem Irrtum ich aufgesessen bin. Da steht nämlich: Wenn der Elch sich nach 15min noch immer nicht bewegt hat, ist es nur ein großer brauner Stein oder ein Baumstumpf.

Für die Elche in Südschweden wird es zukünftig nicht einfacher. Die Erderwärmung macht auch vor ihnen nicht halt und ihr natürliches Verhalten hat sich verändert. So wird es für die Elchkühe schwieriger, genügend Futter für sich und die Kälberaufzucht zu finden. Zudem sind sie eher nachtaktiv.

Bis nach Stockholm gebe ich die Hoffnung nicht auf, einen Elch in der Natur zu entdecken. Aber ich werde enttäuscht, keiner ist zu sehen.

Nur gut, habe ich mir im Resort in Hestra einen Stoffelch erstanden. Dieser wird mich künftig in meiner Wohnung daran erinnern, dass ich noch einmal nach Schweden reisen und auf Elchsichtung gehen sollte. Schweden, das ist für mich definitiv so, ist immer wieder eine Reise wert.

More to come. Stay tuned!

Tived oder «Bullerbü»?

Wir sind wieder mit unserem Wunderauto unterwegs, die Fahrt führt weg von der Westküste Richtung Osten zu den grossen Seen Südschwedens. Unsere nächste Unterkunft liegt am Undensee, einem Nebensee des Vätternsees. Ein kleines familiäres Resort mit acht roten Häuschen, von denen wir eines bewohnen. Von den tollen Gastgebern hat Christoph schon geschrieben («Bin ich ein Schwede?»).

Den ersten Abend lassen wir nach dem Abendessen am See ausklingen, wo wir um 21.15 Uhr einen wunderschönen Sonnenuntergang erleben.

Am nächsten Tag wollen wir das Dorf Tived entdecken, das viereinhalb Kilometer von unserer Unterkunft entfernt ist. Da die Waldwege für Christoph unpassierbar sind, benützen wir die Hauptstrasse. Rechts und links bekommen wir einen ersten Eindruck vom «Urwald» des Tivedens Nationalparkes. Dichtester Wald wechselt mit steinigen Hügeln ab. Bald einmal biegt die Strasse nach Tived ab, und wir befinden uns in einer völlig anderen Welt. Vereinzelte schmucke rote Häuser, zum Teil Bauernhäuser mit Pferdekoppeln davor, dazwischen grüne Wiesen, die teilweise zu den Grundstücken zu gehören scheinen. Mitten drin eine kleine weisse Kirche. Ich komme mir vor, als sei ich in Astrid Lindgrens Bullerbü gelandet. Die roten Häuser mit den weissen Fensterrahmen, den weissen, filigran geschnitzten Dachleisten und Veranden lassen mich, wie damals als Kind, in die Bullerbü-Geschichte eintauchen und ich erwarte, dass jeden Augenblick eines der Bullerbü-Kinder aus einem der Häusern gerannt kommt. Aber nein, das sind nur Gedankenreisen. Doch ist das Dorf Tived mit seinen roten Häusern ein echtes Bijou. Hier wirkt alles friedlich und gemütlich.

Wir spazieren durchs Dorf, vorbei an einem geschlossenen Laden, es ist Sonntag, und einem kleinen Wirtshaus, das die Gäste im hauseigenen Garten empfängt. Sofort ist uns klar, wo wir heute unsere «Fika» abhalten werden. Zuerst wollen wir noch zu der Kirche gehen. Sie ist, wie die meisten Kirchen in Schweden, abgeschlossen. Rund um die Kirche ist ein grosser Friedhof angelegt. Die Gräber liegen in weiten Abständen zueinander und die meisten Grabsteine sind mit einem Holzpflock und einem synthetischen Band stabilisiert. Als ich die Daten der Verstorbenen lese, wird mir schnell klar, wieso diese Vorrichtungen bestehen: da gibt es Gräber von Menschen, die von 1865 bis 1956 oder von 1867 bis 1946 gelebt haben. Ihre Gräber scheint man hier weiterhin zu pflegen. Ob dies die Nachkommen tun? Ein Grab berührt mich auf besondere Weise. Hier sind zwei Frauen begraben: Anna Eriksson, 1888 bis 1941 und Maria Eriksson, 1879 bis 1963. Waren die beiden Schwestern oder sonst miteinander verwandt? War Anna krank, dass sie bereits mit 53 Jahren verstarb? Und welche Erfahrungen hat Maria in ihrem Leben gemacht, das sicher von beiden Weltkriegen beeinflusst wurde? Geschichten fallen mir ein, die jedoch den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden.

Wieder in der Gegenwart nehmen wir den Weg zurück zu der kleinen Wirtschaft, die mehr einem Bistro gleicht. Junge Leute stehen hinter der Theke, wo oben drüber das ganze Angebot auf schwarze Tafeln geschrieben steht. In Schwedisch natürlich, das ich jedoch langsam bruchstückhaft verstehe, wenn ich es in schriftlicher Form vor mir habe. Hilfsbereit gibt mir eine junge Frau eine englisch geschriebene Karte. Es gibt Burger und Pizzas in vielen Varianten, Gebäck oder Eis. Heute wird unsere «Fika» etwas grosszügiger, wir teilen uns eine sehr knusprige Pizza und eine Schokoladenkugel. Wir geniessen den schönen Garten, der von vielen jungen Leuten bevölkert wird und bestaunen die Landschaft und die Nachbarhäuser.

Für den Rückweg teilen wir uns auf, Christoph fährt auf der Strasse mit höherem Tempo, da es zu regnen beginnt, und ich mache mich auf zum Waldweg-Abenteuer. Der Weg ist für Radfahrer und Reiter gedacht und so gekennzeichnet. Erst ist er breit, ein richtiger Waldweg. Ich tauche in Felder von grossen Farnen, hohen Bäumen und farbigen Blumen ein. Hier wachsen Lupinen wild und wechseln sich mit Klee und sonstigen farbenfrohen Blumen ab. Der Weg wird schmal und zu einem Pfad, der sich zwischen dichten Sträuchern, Felsbrocken und sumpfartigen Gewässern durchschlängelt. Einmal ist er in Strassennähe, dann wieder entfernt er sich davon und ich sehe nur noch moosbewachsene Steine und dichten Wald um mich herum. Ich bin fasziniert und etwas beunruhigt zugleich, mitten im Wald ohne Orientierungspunkt zu weilen, fällt mir nicht ganz leicht.

Aber ich bin auf dem richtigen Weg und biege nach weiteren Minuten auf einen breiten Waldweg ein, der zur Hauptstrasse und zu unserem Häuschen zurückführt.

Moderne Fahrzeuge überfordern mich!

Vor 39 Jahren habe ich meinen PW-Führerschein gemacht. Den für Lastwagen und schwere Anhänger vor 38 Jahren. Und ich hatte die Bewilligung, gefährliche Güter zu transportieren.

Mein erstes Auto, ein Opel Jahrgang 1978, hatte vier Gänge, ein Kupplungs-, ein Brems- und ein Gaspedal. Eine Handbremse, ein Blinkerhebel und einen für den Scheibenwischer. Die Anzeigen im Cockpit waren die Geschwindigkeit, die Motorentemperatur und der Tank. Das war’s. Auch die Lastwagen waren eher spartanisch ausgerüstet.

Wie bereits geschrieben, fährt Vera mich in einem topmodernen, über 100 000 Franken teuren weissen Audi A6 Quattro durch die schwedische Landschaft.

Bereits in Malmö, im sechsten Stock eines Parkhauses beginnt das Abenteuer. Vera hat einen Schlüsselbund mit zwei Tasterkästchen in der Hand. Das eine, so wurde uns erklärt, wäre für die Heizung, die maximal eine Viertelstunde vor Abfahrt gestartet werden kann. Brauchen wir nicht, 25 Grad Celsius reichen als Wärme. Mit dem anderen Taster lassen sich Türen und Heckklappe öffnen. Nur, es blinkt und leuchtet wie verrückt rund um das Auto, aber nichts öffnet sich. Obwohl ich seit sechs Jahren nicht mehr Auto fahren kann, habe ich doch wohl genügend Erfahrung, ein Auto öffnen zu können.

Irgendwann finden wir es heraus, haben Waren und Menschen im Auto und wollen starten. Nur, so einfach geht das nicht. Drei Bildschirme voll mit Informationen leuchten uns entgegen. Ein Flugzeugcockpit ist Pipifax dagegen. Benutzer und Zieladresse eingeben, Motor starten und es piept und leuchtet auf einmal wie verrückt. Warnung Hindernis. Vera ist noch kein Zentimeter gefahren. Kommt das gut?

Irgendwie schaffen Vera und ich es aus der Stadt, sie als Driving Pilot (abgeleitet von Flying Pilot aus der Fliegerei), ich als ihren First Officer (Co-Pilot) mit Blick auf Anzeigen und Navi.

Wir sind auf der Autobahn in Richtung Nordwesten, Vera beginnt sich zu entspannen. Ich mache den DJ (ich habe inzwischen herausgefunden, wie ich mein iPhone mit dem Audi verbinden kann) und spiele von Züri West das Lied Göteborg. Wir geniessen die Fahrt in der Abendsonne. Kurs 90, Speed 110.

Auf einmal ruckelt das Auto. Ein Luftloch (Turbulenz) am Boden? Nicht wirklich. Minuten später schon wieder. Jedesmal, wenn Vera die Umgebung anschaut. Okay, könnte eine Art Fahrspurkontrolle sein (ich habe einmal von meinem Sohn davon gehört). In einer guten Zeit erreichen wir unseren Zielort, haben alle Radaranlagen ohne Fototermin passiert. Nach Zetter- und Mordiogepiepe und -geblinke steht unser Fahrzeug sicher vor der Unterkunft.

Auf der Fahrt bis nach Stockholm machen wir dann noch Bekanntschaft mit vielen weiteren Funktionen. Beim nächsten Tanken 6 Liter AdBlue nachfüllen, Rast empfohlen, Auto bremst im Autopilot bei zu nahem Auffahren selbstständig ab, Scheibenwischer geht an, weil der Vordermann die Scheibe reinigt und und und. Und ich bin mir sicher, wir haben nur einen Bruchteil davon erfahren.

Wir haben Stockholm gut erreicht. Oft haben wir uns gefragt, wie man immer ein solches Fahrzeug fahren kann. Das Geschrei von Autolobbyisten ist uns im Ohr, wie sie immer mehr bevormundet werden. Und dann fahren sie Autos, die ihnen alles vorsagen. Was, wenn eines Tages das teure Auto nicht weiter fährt, weil keine Rast gemacht wurde oder der Tank nicht mehr weit reicht?

Gut, habe ich mein Zuggerät, den Swiss Trac. Ein Schalter für zwei Fahrgeschwindigkeiten, ein Geschwindigkeitshebel, eine Handbremse und eine Batteriestandsanzeige. Das genügt mir fürs Geniessen der Umgebung. Schliesslich leben Geniesser länger, wie Die Prinzen in ihrem Lied Fahrrad festgehalten haben …

More to come. Stay tuned!

Bin ich ein Schwede?

Es ist Arjan, der mir eine Erklärung für meinen Appetit gibt. Schweden, so sagt man anscheinend, hätten für ihre kulinarischen Gelüste zwei Mägen. Meine Folgerung: Ich bin ein Schwede.

Die Fika, also die Kaffeepause mit Leckereien, haben wir in vorhergehenden Beiträgen bereits kennengelernt. Wer mich kennt und schon Beiträge über das Essen gelesen hat, weiss, dass ich Feinem kaum widerstehen kann. Die Fika ist in den wenigen Tagen in Schweden schon ein fixer Tagespunkt geworden.

Schwedens Küche ist aber auch bekannt für Köttbullar (Fleischbällchen) oder Smörgåsbord (ein Buffet mit einer Auswahl an kalten und warmen Gerichten). Köttbullar kennt man in der Schweiz spätestens seit IKEA und stand darum bis jetzt nicht auf meiner Speisekarte. Das Buffet aber sehr wohl. Und das Dessertbuffet tat es mir zwei Tage nacheinander an, was sich leider oberhalb der Hüfte bemerkbar macht. Bei allem Streben nach kulinarischer Disziplin kapituliere ich spätestens vor den feinen süssen Leckereien.

Gut haben wir heute die «Zivilisation» verlassen und sind im schwedischen Urwald – im Tiveden Nationalpark – gelandet. Marian und Arjan haben hier in den Jahren 2013–2019 eine Ferienbungalowsiedlung aufgebaut. Unser Bungalow ist genial geeignet für Rollstuhlfahrer. Noch genialer sind aber die Kochkünste von Marian. Das Abendessen: zur Vorspeise geräucherter Lachs auf roter Beete (Randen), zur Hauptspeise Elchgulasch mit Preiselbeersauce, Kartoffelschnitze und Kabis/Rüebli-Salat mit Apfelstückchen und zum Dessert selbstgebackener Schokoladekuchen mit Mokkaglasur. Und das in perfekter Menge. Gut genährt, aber nicht zu viel gegessen.

Ja, das Reisen ist für mich immer auch eine kulinarische Expedition. Es sind alle die Gerüche, die verwendeten Zutaten und die Art des Kochens, die mich an viele schöne Orte auf der Welt zurückerinnern lassen. Ob komplexe Küche in New York, eine Hinterhofküche auf den Kapverden oder nun die einfache Spitzenküche in Tived, alles hatte seinen Charme und erfreute den Gaumen.

Ich werde sie nach Hause schleppen, die Zusatzpfunde auf den Rippen. Vor allem aber die Erinnerungen an die feine schwedische Küche.

More to come. Stay tuned!

Grebbestad und Tanum Strand

Grebbestad ist eine halbe Stunde Fussweg von unserem Hotel entfernt. Der Weg dorthin führt am Strand entlang, erst über einen Holzsteg vorbei an den kleinen roten Häuschen des Resorts. Dann wird der Weg sandig, links der Strand mit kleinen Buchten und Sandstränden, dahinter das Meer voller kleiner Inseln. Ob das schon die berühmten Schären sind? Bald taucht man in einen grünen Tunnel, der voller besonderer Bäume ist. Es sind ähnliche Baumsorten wie bei uns: Fichten mit knorrigen, verdrehten und ineinander gewachsenen Stämmen und Ästen, Eichen mit viel kleineren Blättern als wir es von der Schweiz kennen. Der Wald lichtet sich und flache Felsen mit Gras Thymian und Sträuchern durchwachsen laden zum Klettern mit Aussicht aufs Meer ein.

Bald kommen die ersten Häuser von Grebbestad in Sicht und der Hafen mit grossen Fischerbooten. Grebbestad ist das Zuhause der Austern, wie auf einem Plakat zu lesen ist. 90% der Austern für Schweden kommen von hier und hier findet auch jedes Jahr der Wettbewerb des Austernöffnens statt. Vom Hafen führt die Meerpromenade an unzähligen Restaurants und Shops für Touristen vorbei ins Dorf hinein.

Wer das eigentliche Dorf entdecken will, überquert die Durchgangsstrasse und geht eine der steilen Strassen hinauf. Hier befinden sich die vielen schmucken weissen oder hellgelben Holzhäuser, manche mit zierlich geschnitzten Veranden, andere mit Blumengärten vor dem Haus. Ein Kleinod schwedischer Architektur. Viele Fenster sind mit Spitzenvorhängen versehen und mit Ziergegenständen wie Schiffe, Lampen, Engelsfiguren geschmückt.

Der Nachmittag hält zwei Überraschungen für uns bereit:

Da ist die Bäckerei mit Tearoom und ihrem Riesensortiment an feinstem Gebäck. Von weitem lockt sie mit dem Duft von frisch gebackenem Brot. «Fika» ist angesagt und wir werden unsäglich verwöhnt. Die Bäckerei ist 150-jährig, hat den Flair von früher behalten und erinnert mit ihrer Ausstattung an die «Gästgifveri» von Brösarp.

Dann der Barbershop, der von einem Iraker betrieben wird. Er lässt sich nach kurzer Zeit dazu überreden, Christoph auf der Strasse vor dem Eingang zu bedienen, da zwei hohe Stufen in seinen Shop hinunter führen. Er geniesst das Arbeiten in der Sonne und Christoph freut sich, seinen Bart loszuwerden.

Der Rückweg führt wieder dem Strand entlang. Unser Hotel gehört zum Dorf Tanum. Hier wurden prähistorische Felsmalereien gefunden, die in der näheren und weiteren Umgebung besichtigt werden können.

Uns sind zwei gemütliche Tage am Meer ohne Autofahrten wichtiger und mit einem tollen Sonnenuntergang verabschiedet sich Tanum Strand von uns.

Göteborg oder das Parkplatzproblem

Am Mittwoch, 2. August verlassen wir Hestra und den Isaberg Mountain und brechen auf Richtung Westküste. Unterwegs wollen wir einen Abstecher nach Göteborg machen, um diese Stadt kennenzulernen und eine Pause auf der langen Strecke von 320 km einzulegen.

Wir suchen im Voraus nach einem Parkhaus, so haben wir einen Behindertenparkplatz garantiert, denken wir. Also Eingabe im Navigationsgerät und los geht die Fahrt. Die Strasse führt lange durch grüne «Tunnels» (Wald links und rechts der Strasse), ab und zu einem See und Weiden entlang. Dann nähern wir uns Göteborg und seinem Strassenwirrwarr. Zum Glück habe ich das Navi und Christoph an meiner Seite! Der Weg führt scheinbar kreuz und quer durch die Vororte Göteborgs und schliesslich landen wir in einer Sackgasse! Ziel verpasst. Wir orientieren uns neu, geben eine neue Adresse ein und fahren los, einen Teil des Weges zurück, kommen nach Göteborg hinein, die Strassen werden enger und enger, führen dicht am Tramgeleise entlang. Endlich landen wir auf einem Parkplatz in Hafennähe, doch wir sehen kein Parkhaus, dazu weit und breit keinen Behindertenparkplatz. Unterwegs waren am Strassenrand einzelne Parkfelder für Behinderte gekennzeichnet, aber für uns zu eng und zu kurz. Wir brauchen viel Platz, um Christoph sicher aus dem Auto auf den Rollstuhl zu transferieren und um den SwissTrac über die Bretter aus dem Auto zu rollen.

Okay, wir suchen weiter, fahren den Weg zurück und biegen bei jedem bezeichneten Parkplatz ein, immer wieder vergeblich. Etwas ratlos fahren wir durch Göteborg und halten weiter Ausschau.

Endlich sehe ich ein Schild mit Rollstuhl und dahinter zwei geeignete Parkplätze auf einem Vorplatz einer Kirche. Sie sind breit und lang genug für uns, ein einziges Problem zeigt sich: die abschüssige Neigung des Bodens. Doch mit viel Geduld und Kraft schaffen wir den Transfer und machen uns auf den Weg, Göteborg zu entdecken.

Wie so oft lassen wir uns vom Gefühl leiten, was diesmal aber nicht recht funktioniert. Göteborg ist am Hang gebaut, mit vielen Treppen, verwinkelten Strassen und ohne erkennbarer Anordnung. Wir sind noch mehr verwirrt. Mit Hilfe des Stadtplans finden wir schliesslich den einen Teil der Altstadt, die hier mit «Haga» bezeichnet wird. Wir gehen über gepflasterte Strassen, die links und rechts von mehrgeschossigen Häusern gesäumt ist. Ursprünglich waren diese Häuser einstöckig und aus Holz, vor ca. 300 Jahren wurde das Fundament mit Steinen verstärkt und die Häuser um bis zu zwei Stockwerke erhöht. Die Stile sind unterschiedlich: einerseits die ursprünglichen weissen Holzhäuser in deren Parterre sich Bäckereien, Kleidergeschäfte oder Souvenierläden befinden. Einige Handwerkerläden wie Hutmacher, Goldschmiede, Töpfereien bieten ihre Ware an. Andererseits hat es Stadthäuser im Jugendstil gebaut oder einfache jüngere Stadthäuser.

Bei einer Bäckerei halten wir schliesslich an. «Fika» ist angesagt. Dies der schwedische Ausdruck für Pause mit Kaffee und Kuchen – Pause und geniessen. Genau das machen wir jetzt, sitzen an einem Tisch am Strassenrand in der Sonne und geniessen unsere «Kanelbulle».

Da wir viel Zeit mit der Parkplatzsuche verloren und noch 130 weitere Kilometer zu fahren haben, lassen wir die zweite «Haga» links liegen und hoffen, den Weg aus der Stadt ohne Komplikationen zu finden. So ist es dann auch und am Abend kommen wir bei untergehenden Sonne an der Westküste an. Grebbestad heisst das Fischerdorf und unser Hotel befindet sich im archäologisch interessanten Tanum. Doch davon später mehr!

Der Mountainbike-Trail

Ort dieses Abenteuers:

Isaberg Mountain Resort, Hestra, mitten in den Bergen Südschwedens, Treffpunkt für Sportler (Mountainbike, Kanu, Standup-Paddeln, Schwimmen, Klettern …), Campen und Familien.

Hauptdarsteller: Christophs Rollstuhl, Christoph, der SwissTrac

Nebendarstellerin: Vera (Begleiterin, Schieberin und Fotografin)

Das Ereignis :

Nach einem misslungenen Versuch einen Trail bergwärts zu absolvieren, sind sich die Mitwirkenden einig, dass ein etwas einfacherer Trail gefunden werden muss. Der Rollstuhl fügt sich in sein Schicksal und rollt brav hinter dem SwissTrac her. Der einfachste Trail wird nun gewählt. Um aber den Schwierigkeitsgrad doch noch etwas zu erhöhen, rollen der Rollstuhl und der Swisstrac in der Gegenrichtung der vorgegebenen Route. Was das bedeutet? Keine Mountenbiker von hinten, die einen überraschen könnten, aber Gegenverkehr, was jedesmal abbremsen, ausweichen und abwarten bedeutet. Etwas was dem Gefährt gar nicht gefällt. Bei den ersten Abfahrten ist noch etwas Vorsicht auszumachen, die steilen Aufstiege werden mit Schiebehilfe von Vera gemeistert. Je länger der Trail dauert, desto waghalsiger wird der Rollstuhl: er liegt in die Kurven, fährt immer schneller die Abhänge hinunter und rollt enthusiastisch über die Bumps-Piste. Der Rollstuhl und Christoph verbünden sich gegen die Schwerkraft und absolvieren alle Hindernisse meisterlich. Der SwissTrac ist als treibende Kraft dabei und ist für alle Abenteuer zu haben.

Die Rolle der Nebendarstellerin? Sie ist mit dem Begriff Nebendarstellerin schon definiert. Sie begleitet, hastet hinterher, weist auf die eine oder andere Naturschönheit hin und hält diese mit dem iPhone fest.

Erst der Regen, der Hunger und eine kleine Bucht lassen das Trio rasten. Kurz vor dem letzten Höllenritt den Berg hinauf wird Kraft getankt und dann gehts zurück zum Resort und unter die Räderdusche.

Effekt dieses Unterfangens: ausgetobter Rollstuhl und SwissTrac, ein strahlendes Gesicht bei Christoph und eine zufriedene Nebendarstellerin.

Ausflug nach Ystad

Ystad liegt südlich von Brösarp am Meer und war früher bekannt für den Heringsfang. Davon merkt man heute nicht mehr viel, ausser auf den Speisekarten der vielen Restaurants, die nur so von Menus mit Meeresfrüchten oder Fischen wimmeln.

Was Ystad bis heute behalten hat und scheinbar auch pflegt, ist der alte Dorfkern. Hier gibt es einige der ältesten Häuser Südschwedens, viele Riegelbauten, Strassen mit farbigen einstöckigen Häusern und viele Handwerkerläden.

Das Schönste auf diesem Ausflug: das Meer. Die salzige, nach Fisch und Algen riechende Luft, der Wind, der das Haar zerzaust, das Meeresrauschen und die unendliche Weite.

Christophs Rollstuhl macht sich bemerkbar

In Kopenhagen haben wir von Mr. Eds Nachfolger erzählt. Er ist, wie Mr. Ed es war, zum treuen Begleiter geworden, ohne den Christoph nicht vom Fleck käme. Mr. Ed hat seinen Namen auf Christophs Reise 2014 in Alaska/USA (https://satzbauer.ch/?p=187) bekommen. Wie geschrieben, suchen wir noch immer einen Namen für seinen Nachfolger. Fündig sind wir auf der bisherigen Reise nicht geworden und die Ideen und Vorschläge von euch Lesenden haben den doch etwas anspruchsvollen Rollstuhl noch nicht überzeugen können.

In den letzten Tagen ist der Rollstuhl aufmüpfig geworden. Er will beachtet werden. Wie er das zeigt? Ganz einfach! Er schleicht sich immer wieder in Fotos rein, respektive rollt immer öfters in Bildausschnitte. Dabei ist er geschickt und schnell, oft bleibt er von mir unbemerkt.

Am 1. August hat er auch bewiesen, dass er seinem Vorgänger Mr. Ed nacheifert. Wie tollkühn er mit Christoph einen Mountainbike-Trail absolviert hat, werdet ihr noch erfahren.

Ich vermute, dass er sich beruhigen würde, wenn er endlich einen Namen hätte und so ein namentlich erwähntes Mitglied unseres Reisetrios werden würde.

Wer hilft uns dabei? Ich fürchte sonst weitere Unannehmlichkeiten ….

Vera und der Gartenzaun

Unsere Leserinnen und Leser fragen oft, woher wir alle diese Themen nehmen, die wir in unseren Beiträgen erzählen. Nachdem dies meine vierte Reise im Blog ist, kann ich sagen, Augen und Ohren offenhalten. In den Texten gilt es dann, mit dem Gesehenen und Gehörten Bilder zu schaffen.

Was stellt ihr euch vor, wenn ihr den Titel dieses Beitrags lest? Drei Stichworte: Vera, Gartenzaun und Audi A6. Könnte es eine unglückliche Geschichte geben? Der nicht vorhandene Macho in mir würde es auf 2 plus 1 reduzieren, was wiederum der philosophischen Regel entsprechen würde, dass alles mathematisch auflösbar ist. Frau und teures Auto plus ein Gartenzaun.

Die Szenerie: Ich sitze an einem Sonntag um 13.40 Uhr im Auto vor einem Byggmax – einem Baumarkt – und warte auf Vera. Ihre Aufgabe ist, zwei Bretter für den Verlad des Swiss Trac zu kaufen. Von unserer Kanadareise wissen wir, dass es damit gut funktioniert.

Kanada 2019

Nach 15 Minuten kommt sie mit zwei Brettern zu mir, um sie zu zeigen. Perfekt in der Länge und in der Stärke. Sie geht wieder zurück in den Baumarkt, damit sie den Kauf bezahlen kann.

Zehn Minuten später taucht sie wieder auf, hat nun aber anstelle der zwei Bretter ein Stück Gartenzaun in der Hand. Ein Meter breit, 60 Zentimeter hoch.

Hä?! Was will sie mit einem Stück Gartenzaun?

Sie erklärt: Die Verkäuferin wollte ihr die zwei Bretter nicht verkaufen. Diese stammten aus einem Paket zu zehn Brettern. Einzelne Bretter gab es nicht, da dieser Baumarkt nur für den Grossbedarf sei.

Vera machte sich folglich auf die Suche nach einer Alternative. Die Zeit wurde knapp, da der Markt um 14 Uhr schloss, und so packte sie das erst Beste, was sie sich als funktionierend vorstellen konnte.

Okay, dann fahren wir nun ein Stück Gartenzaun durch Schweden spazieren. Auf der Weiterfahrt frage ich Vera, was sie der Polizei erzählen wolle, kontrollierten uns diese einmal.

Schweden 2023

Die Freude über den Gartenzaun ist nicht von langer Dauer. Beim Verlad des Swiss Tracs bei der Weiterfahrt nach Hestra regnet es in Strömen. Nasse Räder und nasses Holz und dazu noch ein zu kurzer Gartenzaun vertragen sich nicht wirklich.

Auf unserem Weg liegt ein Hornbach, wo Vera zwei passende Bretter besorgen kann. Noch fahren wir mit zwei Brettern und einem Stück Gartenzaun durch die Gegend. Ich denke, wir werden den Zaun im Resort Isaberg Hestra, wo wir jetzt hausen, umweltgerecht entsorgen.

Frau, Auto und Gartenzaun wäre eine Geschichte gewesen, aber völlig unpassend zu unserer Situation – Vera ist eine sehr gute und sichere Fahrerin, auch mit unserer temporären Luxuskarrosse.

More to come. Stay tuned!

Ein Tag in Brösarp

Nach all den Aufregungen der letzten Tage gönnen wir uns einen gemütlichen Tag in Brösarp. Brösarp ist ein recht kleines Dorf, dessen Anziehungspunkt unsere Unterkunft, respektive das dazu gehörende Restaurant ist. Wir merken bald, dass wir in einem Gourmet-Tempel gelandet sind. Der Parkplatz ist sowohl zur Mittagszeit als auch am Abend gerammelt voll und so sieht es auch im Restaurant aus. Voll belegt und ausgebucht.

Wir spazieren der Nase nach durchs Dorf, erst zur weissen Kirche auf einer Anhöhe. Sie ist vom Friedhof umgeben und wir finden Gräber von Verstorbenen, die Ende des 19. Jahrhunderts geboren wurden. Hier werden die Gräber offensichtlich nicht weggeräumt.

Dann geht es einem Bach entlang, an Häusern mit wunderschönen Gärten vorbei und schliesslich kommen wir zu einem Antiquariat. Die antiken Bauteile vor dem Haus sehen nicht sehr einladend aus.

Wir gehen durch ein moderneres Quartier und wieder hinunter zur Hauptstrasse. Auch hier befindet sich ein Antiquariat. Antiquariate gibt es in diesem Dorf mindestens vier und mir wird klar, wo unsere Wirtin all die antiken Dekorationsgegenstände herhaben könnte.

Etwas weiter finden wir ein Café, das jedoch leider seit sieben Minuten geschlossen hat. Ganz in der Nähe winkt eine britische Fahne im Wind. Im Eingang dieser Boutique begrüsst uns Ihre Majestät, die Queen. Ein fast lebensgrosses Abbild mit einem gedeckten Teetisch davor. Die Boutique entpuppt sich als waschechter englischer Laden mit wunderschönem Porzellan und Stoffwaren mit typisch englischen Mustern. Da wir in Schweden sind, wollen wir nicht englische Ware einkaufen und gehen weiter. Bald finden wir einen kleinen Laden, wo wir endlich die ersehnten Früchte bekommen. Nebenan ist ein Coop (es heisst tatsächlich auch in Schweden so). Es ist einem schweizerischen Coop nicht unähnlich. Hier kann man alles für den täglichen Gebrauch einkaufen.

Wir kommen an unserer Unterkunft vorbei und ich frage dort, ob wir für den Abend einen Tisch reservieren könnten. Ausgebucht, ist die Antwort und so wird aus einem süssen Zvieri ein feiner Lachstoast. Das Dessert holen wir auf der anderen Seite des Dorfes bei einem Glacé-Wagen nach und kehren dann zufrieden in unser wunderschönes Zimmer zurück. Es wartet ja noch der Blog auf uns …

«Brösarps Gästgifveri»

Wir verlassen Malmö. Meine Sorge vor dem Fahren eines mir unbekannten Mietautos in einer fremden Stadt ist völlig unbegründet. Wir fahren einen supermodernen Audi A6, ein Auto, das so weit von unseren Vorstellungen eines Alltagsautos entfernt ist wie Malmö von Amerika!

Der Vorteil: wir geben dem Navigationsgerät die Adresse in Brösarp, unserem nächsten Ziel, ein und nichts kann mehr schief gehen. Da auch in Schweden innerorts 50 km/h gelten und der Verkehr hier sehr ruhig, schon fast bedächtig ist, steure ich das Luxusgefährt sicher aus der Stadt. Zugegeben: es macht auch Spass, ein solches Auto leihweise zu fahren!

Die Route führt über Land, vorbei an schier unendlich grossen Getreidefeldern, Maisfeldern, Wiesen bis zum Horizont mit Kühen oder Schafen darauf und immer wieder dichten grünen Wäldern. Die Landschaft ist so weit, wie wir sie von Kanada kennen, doch viel abwechslungsreicher und viel flacher. Der höchste Berg hier in der Gegend erhebt sich 97 m über Meer!

Nach einer guten Stunde Fahrt biegen wir ab und erreichen das Dorf Brösarp. Unser Hotel «Brösarps Gästgifveri» ist schnell gefunden. Ich steige die Treppe zum Eingang hoch und trete ein. Geradeaus geht es in die Küche, rechts in das Restaurant, das in gedämpftes Licht getaucht ist und auf den ersten Blick etwas altmodisch wirkt. Links geht es zu einem Raum mit Bar, reichlichem Vorrat an alkoholischen Getränken und einigen Tischen. Die Rezeption ist in die Ecke zwischen Küche und Restaurant gequetscht, eine kleine Theke und einem PC -Bildschirm. Niemand ist hier. Ich sehe Küchen- und Servicepersonal in der Küche und einige im Restaurant herumwuseln. Doch scheint mich niemand zu bemerken. Nach einigen Minuten trete ich ins Restaurant und frage nach dem Check-in. Nach weiteren Minuten tritt die Wirtin, eine attraktive Mittvierzigerin an die Theke. Ein freundliches «Hej hej» und ich fühle mich willkommen. Sie erklärt mir in flüssigem Englisch wie die Schlüssel funktionieren und wo unser Zimmer sei, in einem weissen Haus mit grüner Tür. Das Zimmer sei grösser als die anderen und das WC habe Haltegriffe. Da bin ich ja mal gespannt! Die Skepsis nach dem Kopenhagener Erlebnis sitzt noch tief.

Also zurück auf den Parkplatz zu Christoph, der im Auto wartet. Ich mache mich auf die Suche nach unserem Zimmer: weisses Haus mit grüner Tür. Weisse Häuser gibt es einige, doch sind ihre Türen entweder rot oder blau. Ich sehe mich in der näheren Umgebung des Restaurants um, doch finde ich nichts. Zuletzt gehe ich nochmals zur Rezeption zurück, suche jemanden, der mir helfen kann. Schliesslich kommt die Wirtin mit mir mit – zum Nachbarshaus, weiss mit grüner Tür! Wo hatte ich bloss meine Augen? Ich schaue nicht lange, gehe zurück zu Christoph und parke das Auto auf den vorhandenen Behindertenparkplatz. Rollstuhl und Koffer ausladen geht gut, aber da ist noch der SwissTrac, den wir dringend brauchen, damit Christoph sich beim Aufstehen festhalten kann. 65 kg überfordern mich definitiv. Inzwischen vertraue ich auf unser Glück, auf meinen Charme und auf die Hilfsbereitschaft der Schweden. Und tatsächlich: ein ziemlich fülliger junger Mann mit seiner Frau spaziert an uns vorbei. Schnell spreche ich ihn an:«Sorry! Are you a strong man? Could you help me, please?» Er ist sofort neben mir, will die Koffer packen. Ich zeige ihm den SwissTrac und mache die Gewichstsangabe.«No problem», meint er, dreht den SwissTrac, packt zu und schwups steht das blaue Schwergewicht neben dem Auto. Stolz schaut mich der «strong man» an. Wir bedanken uns herzlich und machen uns auf zur Zimmerinspektion.

Christoph fährt die Rampe hoch und wir kommen in einen Vorraum. Ein altes Holzsofa mit Kissen steht am Eingang, die Wände sind mit einer Tapete mit grünem Blättermuster und grossen weissen Blüten versehen, der Flur ist etwas schummrig beleuchtet. Die Spannung steigt. Was erwartet uns wohl hinter der Zimmertür Nr. 27? Ich öffne die Tür und bleibe abrupt unter der Türe stehen. Das gibt’s doch nicht!

Ich fühle mich in eine andere Welt versetzt, in eine Welt, wie ich sie aus alten Bilderbücher meiner Grossmutter kenne. Die Wände sind bis auf halbe Höhe mit grünem Holztäfer eingefasst und darüber auch tapeziert, diesmal mit grünen Blätterranken. An der Wand hängen zwei Ölbilder, eines davon etwas schief. Darunter das Doppelbett, mit einer dunkelgrünen Samtdecke und grünen und gelben mit goldenen Stickereien verzierten Kissen. Rechts und links vom Bett stehen zwei filigrane Messingtischchen, oberhalb der Betten sind Messinglampen im Vintage-Stil angebracht. Eine goldene Uhr aus Grossvaters Zeiten hängt an der Wand, ein goldgerahmter Spiegel und ein goldener Garderobehalter mit Häschenbüste schliessen die Wanddekoration ab. Dann steht da noch ein antiker Schreibtisch aus Holz mit passendem Stuhl an der Wand, die verifizierte Einladung für solche Schreiberlinge, wie wir es sind. Die Beleuchtung gibt dem Zimmer mit ihrem warmen Licht eine märchenhafte Atmosphäre. Und so fühle ich mich auch: wie im Märchen.

Christoph weckt mich aus meiner Verzückung und fragt nach der Badezimmerausstattung. Ich öffne die Türe und stehe in einer grünen Badeoase: dunkelgrüne Kacheln an den Wänden, weisser Marmorboden. Die Armaturen sind aus dem letzten Jahrhundert und in goldenem Messing. Das einzig Moderne ist die gläserne Duschwand und das Klo. Platz genug für einen Rollstuhlfahrer ist da und das WC ist mit mobilen Haltegriffen versehen.

Wir sind in einem rollstuhltauglichen Paradies angekommen.

Wer hilft einen in Malmö? Schweizer!

(Bild aus dem Archiv – Toronto 2018)

Nachdem die Anfangsschwierigkeiten überwunden waren, ging es ans Erkunden von Kopenhagen. Die Stadt ist für Rollstuhlfahrer gut zugänglich, mal abgesehen von vielen Restaurants, deren Inneres für mich nicht erreichbar ist. Die kühlen Temperaturen laden nicht wirklich zum Essen draussen ein. Hungrig bleiben wir trotzdem nicht. Im Gegenteil: ein Côte de boeuf fordert uns.

Einmal mehr erlebe ich die Dänen als freundliche und hilfsbereite Menschen. Schnell sind sie zur Stelle, wenn ich den Eindruck von Hilflosigkeit vermittle. Die, die einige Rücksichtslosigkeit an den Tag legen, sind zumeist Touristen. Sind sie zudem kurzbeinigen Schrittes, dann macht es keinen Unterschied, ob man in Kopenhagen oder Luzern ist.

Die Zugfahrt von Kopenhagen nach Malmö machen wir meiner Sorglosigkeit wegen ohne Voranmeldung. Für die rund 40 Minuten dauernde Fahrt über die Ostersund-Brücke nehmen wir die S-Bahn, die uns schon von der Fahrt vom Flughafen in die Stadt bekannt war. Ich staune nicht schlecht, als ich realisiere, dass ich nicht aus dem Zug hätte steigen können, wäre es das gleiche Perron gewesen. Nun ist der Höhenunterschied rund 20 Zentimeter. Die Zugbegleiterin ist aber schnell mit einer faltbaren Rampe bei mir und sorgt resolut dafür, dass ich den für Rollstuhlfahrer reservierten Platz erreiche.

Wie so oft auf den vergangenen Reisen, sorgt der Swiss Trac (Rollstuhlzuggerät) auch diesmal für erstaunte Blicke. Unzählige Male werde ich angesprochen, wenn ich mit Veras Koffer auf dem Swiss Trac und meinem am Rollstuhl befestigten Koffer über die Gehsteige brettere. Da ich der dänischen Sprache nicht mächtig bin, kann ich den Inhalt der Äusserungen nur vermuten.

In Malmö angekommen, gehen wir zur Autovermietung und übernehmen unser Fahrzeug, ein Audi A6. Nach meiner unmissverständlichen Kampfansage nach dem Hoteldesaster in Kopenhagen hat sich das Reisebüro nochmals erkundigt, ob auch das gewünschte Auto zur Verfügung stehe. Das tat es dann auch.

Nach einem gemütlichen Stadtbummel und einem dekadent üppigen Nachtessen steht uns die grösste Herausforderung noch bevor: der Swiss Trac, 65 kg schwer, musste noch ins Auto. Und das ohne Rampe, da es in der Innenstadt von Malmö keine Holzlatten zu kaufen gab. Was tun? Im sechsten Stock eines verwaisten Parkhauses auf ein Wunder hoffen?

Wir hören den Lärm eines Automotors, der immer näher kommt. Ist das das Wunder? Aus dem Auto steigt ein junger Mann. Vera steuert ihn direkt an und fragt «if he could help us». Dieser antwortet ebenfalls auf Englisch und verspricht uns Hilfe. Das weitere Gespräch wird dann in einer anderen Sprache geführt: schweizerdeutsch.

Hilfsbereite Menschen werden uns weiter helfen, sind wir überzeugt. Unsere Reise ist ein Abenteuer. Es wird gut kommen.

More to come. Stay tuned!

Kopenhagen vom Schiff aus

Um eine Stadt in möglichst kurzer Zeit zu entdecken und mit Informationen zu ihrer Geschichte und Kultur eingedeckt zu werden, gibt es zwei Möglichkeiten: Hop-on, hop-off im Bus oder in Städten mit Flüssen oder Kanälen eine Stadtrundfahrt per Schiff. Da Kopenhagen, ähnlich wie Amsterdam, mit Kanälen durchzogen ist, habe ich schnell entschieden. Eine Schifffahrt muss es sein. Leider sind die Schiffe für Rollstuhlfahrer wie Christoph nicht zugänglich. Sie liegen flach im Wasser, damit sie unter den niedrigen Brücken durchkommen, sind fest bestuhlt, so dass für einen Rollstuhl kein Zugang und kein Platz ist. Christoph hat eine solche Schiffsrundfahrt zum Glück schon vor zehn Jahren gemacht, als er noch ohne Rollstuhl unterwegs war. So ist mein schlechtes Gewissen beruhigt. Vor allem da Christoph den Plan verfolgt, den Crêpes-Stand von vor zehn Jahren zu suchen und sich eine seiner heiss geliebten Crêpes zu gönnen. Bananen-Nutella müsste es sein, genau so wie vor zehn Jahren. Ob er wohl fündig wird? Ich habe da so meine Zweifel!

Ich drängle mich durch die Menschenmassen im Nyhaven, stehe für mein Ticket an und steige schliesslich in das flache Schiff, von wo aus man das Wasser leicht berühren könnte. Pünktlich um 14.15 Uhr legt der Kapitän ab. Der Reiseführer warnt uns vor den niedrigen Brücken, die seien hart und würden unseren Köpfen nicht gut bekommen. Auch sollen wir nicht mit den Fingern die Decken der Brücken berühren. Diese seien sehr schmutzig und klebrig und die Brückenmauern seien immer stärker als unsere Finger … Schon fahren wir unter der ersten Brücke durch, instinktiv zieht man den Kopf ein, obschon ca. 20 cm Platz zwischen Brückenbogen und Kopf bleibt. Aber nach dieser Vorwarnung sind alle Passagiere vorsichtig.

Wir verlassen den Nyhaven und fahren in die Meeresbucht hinaus, vorbei an der modernen Oper. Sie hat ein flaches Dach, das ans KKL in Luzern erinnert. Von diesem Dach springen im Sommer waghalsige Jugendliche ins Meer. «Just for fun», wie der Führer erzählt. Wir fahren weiter raus, die früheren Kasernen der Königlichen Armee ziehen vorbei, weiter hinten sieht man einen hohen Kamin neben einem modernen, abgeschrägten Bau. Das sei die Abfallverbrennungsanlage, die gleichzeitig ein Freizeitzentrum fürs Fassadenklettern und fürs Skifahren während des ganzen Jahres sei. Erstaunlich, wie die Dänen es schaffen, das Nützliche mit dem Vergnügen zu verbinden.

Wir nähern uns dem anderen Ufer der Bucht und eine Menschenansammlung wird sichtbar. Was da wohl zu sehen ist? Wohin pilgern alle, die nach Kopenhagen kommen? Richtig, zu der kleinen Meerjungfrau. Klein wirkt sie wirklich, wie sie auf einem Felsen im Wasser unweit des Ufers sitzt. Gerade weit genug, damit sich nicht alle trauen zu ihr auf den Felsen zu klettern, sie aber doch fotografieren können. Eigentlich wollte ich diese Statue auch besuchen. Doch jetzt, da ich die Menschenmenge sehe, begnüge ich mich mit der berühmten Rückenansicht. Irgendwie tut mir diese Kunstwerk fast leid. Die kleine Meerjungfrau wurde 1921 erschaffen, Modell standen die Geschichte von Hans Christian Anderson und eine Balletttänzerin. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Jungfrau zweimal geköpft und ein Stück aus ihrem Arm entfernt. In der Stadt findet man Ansichtskarten mit ihr als Sujet vor kitschigen Sonnenuntergängen oder zwischen überdimensionierten Schwänen. Ich für mich verstehe nur zu gut, weshalb die kleine Meerjungfrau so betrübt und wehmütig ans Ufer mit den fotografierenden und betatschenden Touristen schaut.

Weiter geht die Fahrt an den königlichen Palästen vorbei, durch ein holländisches Quartier, das von den Holländern zur Zeit des Seehandels mit Indien erbaut wurde. Fährt man durch diesen Kanal, wähnt man sich einmal mehr in Amsterdam. Zum Schluss fährt unser Schiff vor dem riesigen Glasbau der Staatsbibliothek durch, sie sei europaweit die grösste Bibliothek. Dann ist da noch das alte Haus, in dem die Familien der königlichen Soldaten im Mittelalter gratis hochgradigen Alkohol beziehen konnten. Damit sollten die Familien, auch die Kinder, vor den Colibakterien und vor Cholera geschützt werden. Ob wohl deshalb der Alkohol in Dänemark heutzutage so teuer ist? Um dem übermässigen Desinfektionsbedürfnis entgegenzuwirken? Darüber hat uns der Führer nichts erzählt.

Die Fahrt endet wieder im berühmten Nyhaven. Den Nachmittag verbringen wir im «Holländischen Quartier», das durch grosszügige Promenaden, ruhige Strassen und architektonische Vielfalt besticht. Über eine der vielen Velobrücken gehen wir zurück zum Hotel, voll neuer Eindrücke und mit dem Wissen, dass Kopenhagen viel und noch viel mehr zu bieten hat.

More to come. Stay tuned!

Ich bin verärgert!!!

(Fortsetzung von «Heute wird nicht viel passieren»)

Das war der erste Satz in meiner E-Mail an unser Reisebüro in der Schweiz, die ich morgens um 2 Uhr in mein iPhone tippte. Ich brauchte klare Worte und stellte meine Forderung unmissverständlich. Ich wäre vermutlich nicht so hart in meiner Wortwahl gewesen, hätte ich nicht drei Wochen vor der Reise extra und ausdrücklich nochmals beim Reisebüro betreffend rollstuhlgerechten Unterkünften nachgefragt und bestätigt bekommen, dass die Vor-Ort-Agentur dies versicherte.

Am Morgen meldete sich das Schweizer Reisebüro und entschuldigte sich erstmal und stellte eine Lösung in Aussicht. Beim Frühstück haben Vera und ich dann von einem Hotelmanager erfahren, dass das ganze Hotel weder über Zimmer für Rollstuhlfahrer verfügte noch eine rollstuhlgängige Toilette hätte. Der nächste Anruf aus der Schweiz brachte mein Blut in Wallung, die Ferienstimmung auf den Nullpunkt und mein Kampfwillen in Höchstform. Ich soll mir ein Restaurant mit einer Rollstuhltoilette suchen, das Reisebüro würde gegen Quittung das Frühstück erstatten und sie hätten ein Hotel mit einem teilweise rollstuhlgerechten Zimmer. Die eigentlichen Rollstuhlzimmer seien leider alle besetzt, da gerade eine Gruppe Rollstuhlfahrer eingecheckt hätte.

Hä?!

Einmal mehr war ich froh um meine Schlagfertigkeit und meinen Durchsetzungswillen. Mich mit dieser Lösung abspeisen zu lassen, kam für mich nicht in Frage. Ich hatte schon von Anfang ab bei den Verhandlungen fürs Angebot davon gesprochen, der Preis spiele eine untergeordnete Rolle. Für mich als tetraplegischer Rollstuhlfahrer muss es machbar sein.

Wir hatten das Frühstück inzwischen durch und harrten der Dinge, die kommen sollten. Um 11.32 Uhr war es soweit, am Telefon wurde mir eine neue Unterkunft angegeben. Eineinhalb Stunden später waren wir dort und durften zufrieden zur Kenntnis nehmen, dass unsere Bedürfnisse nun erfüllt sind. Die Ferien konnten mit Verspätung beginnen.

More to come. Stay tuned!

Dänemark und Kopenhagen

Dänemark begrüsst uns mit einer orange glühenden Sonne, die im Wolkenmeer versinkt. Unter unserem Flugzeug wechseln Meeresarme und -buchten mit Inseln ab. Erinnerungen an «Ferien auf Saltkrokan» werden wach, ein Kinderbuch aus vergangenen Zeiten. Eine grosse Insel beeindruckt mich besonders. Sie scheint sich kaum aus dem Meer zu erheben und ich stelle mir vor, was mit der Insel geschähe, wenn der Meeresspiegel um einige Zentimeter steigen würde.

Der Anflug auf Kopenhagen lässt das Meer immer näher kommen, Schaumkronen sind zu erkennen und es scheint, als würden wir im Meer landen. Doch nein, wir landen wohlbehalten in Kopenhagen. Was dann folgt, hat Christoph bereits beschrieben.

Am nächsten Mittag, Mittwoch, sind wir startbereit, um die Stadt zu entdecken. Wir sind uns einig über die Art unserer Entdeckungsreise. Christoph hat noch einige Erinnerungen von vor zehn Jahren, für mich ist Kopenhagen unbekannt. Kurze Orientierung auf dem Stadtplan. Wir nehmen uns zwei Ziele vor: den Nyhaven mit den bunten Häusern und die Einkaufsmeile im Stadtzentrum. Sonst lassen wir uns von unserer Neugierde treiben. Unser Weg führt uns einem Kanal entlang über eine breite Promenade. Wir sind wieder zu dritt unterwegs, doch ist der dritte im Bunde nicht mehr Mr. Er., der treue Begleiter von Christoph. Mr. Ed ist Ende 2019 in Pension gegangen und wird nun von einem jüngeren und moderneren Kollegen vertreten. In unseren Herzen und Gedanken ist aber Mr. Ed immer noch mit uns unterwegs. Seine Abenteuerlust bleibt unvergessen, umso mehr, da sein Nachfolger meist brav und in geordneten Bahnen hinter dem SwissTrac herfährt. Einen Namen hat der neue Begleiter von Christoph noch keinen. Vielleicht finden wir einen unterwegs oder vielleicht hat jemand von euch Lesenden eine Idee, wie wir Christophs Rollstuhl nennen könnten. Wir sind offen für eure Vorschläge und dem Gewinner winkt ein Foto- und Textbuch von unserer Kopenhagen-Südschwedenreise.

Doch nun zurück nach Kopenhagen mit Mr. Eds Nachfolger. Wir staunen über die Vielfältigkeit der Architektur: neben Häusern aus dem 17. Jahrhundert stehen modernste Glasgebäude, dann wieder Jugendstilhäuser oder alte Lagerhäuser, die geschickt zu Wohnhäuser umgebaut wurden.

Die Überraschung an diesem Nachmittag ist ein plötzlicher Wolkenbruch, der ohne Ankündigung auf uns niederprasselt. Wir suchen Schutz unter kaum vorhandenen Vordächern, ziehen im stürmischen Wetter den Regenschutz an. Zum Glück hört der Regen so schnell auf, wie er gekommen ist und wir können uns in der wärmenden Sonne trocknen lassen.

Wir steuern durch die enge Strasse im Nyhaven, Vorwärtskommen ist fast unmöglich. Menschenmassen wälzen sich durch die enge Strasse, die von Kneipen und Gourmet-Tempeln gesäumt wird. Die Häuser sind pittoresk, doch schaut man sie sich besser von weitem auf einer Brücke an. Wir sind froh, als wir dem Getümmel entkommen. Die Strassen werden breiter und eine farbige Seitenstrasse lockt mich und uns in Richtung Innenstadt. Bald erreichen wir die Fussgängerzone, mein Gefühl hat mich richtig geleitet. Wir treffen auf neue Menschenmassen, doch ist es hier für uns etwas einfacher vorwärts zu kommen, da die Strassen breit und die Plätze gross sind. Auch hier ist die Architektur ganz unterschiedlich, einmal muten die Häuserreihen grossstädtisch an, manchmal sind es einfache «Arbeiterhäuser» die die Strassen säumen. Alle haben aber etwas gemeinsam: im Untergeschoss sind sie für Touristen eingerichtet. Läden mit allem, was das Herz begehrt, bekannte Marken, Imbissbuden mit den sagenhaften Würstchen, die wir vom Flughafen kennen, oder Restaurants, die Moules, Hamburger, Pizzas oder Shrimps anbieten. Wir begnügen uns mit einer fruchtigen Limonade und dem Beobachten der vielen unterschiedlichen Menschen. Einige Menschen fallen uns besonders auf. Ich stelle unsere Glasflaschen in einen Abfallkübel und drehe mich ab, um ein Foto zu schiessen. In dieser Zeit kommt schon ein Randständiger mit seiner grossen Plastiktüte vorbei und sammelt die Flaschen und die sonstigen Blechbüchsen oder PET-Flaschen ein. Eine Möglichkeit für ihn und seine Kollegen zu ein wenig Geld zu kommen, in dem sie die gesammelte Ware zu den Sammelstellen bringen und das Depot dafür ausbezahlt bekommen. Einmal mehr wird uns das grosse soziale Gefälle einer Grossstadt deutlich vor Augen geführt.

Wir beschliessen, auf einem neuen Weg zurück zum Hotel zu gehen. Essen in einem Lokal mit einem Rollstuhlfahrer ist hier im Zentrum aussichtslos. Die meisten Lokale sind im Kellergeschoss und nur über Treppen erreichbar. Wir gehen, wie so oft in Kopenhagen, einem Kanal entlang, vorbei an alten Häusern, in denen früher Fisch verkauft wurde, am Nationalmuseum, das um diese Zeit schon geschlossen hat, an den Ställen des königlichen Gestüts vorbei und schliesslich am Museum für Architektur entlang, das unser Regenprogramm für morgen wäre. Müde, voller Eindrücke und zufrieden lassen wir uns am Abend von der recht deftigen, oft salzigen dänischen Küche verwöhnen.

Heute wird nicht viel passieren …

Wir hatten den Check-in durch, bei der Security eine Bekannte getroffen und uns in einem Restaurant mehr schlecht als recht für den Flug gestärkt. Rechtzeitig am per SMS gemeldeten Gate eingetroffen, suchen wir nach der Anzeige für unseren Flug LX1272 nach Kopenhagen. Geplante Abflugszeit um 17.25 Uhr. Aber am Boardingdesk A82 ist ein Swiss-Flug nach Berlin angezeigt. Von unserem Flug ist nichts zu sehen. Die Übersichtstafel mit den nächsten Abflügen informiert, dass wir im 17.25 Uhr informiert werden würden.

Heutzutage ist es einfach, im Internet zu sehen, wo ein Flugzeug gerade fliegt. Wobei «fliegen» in unserem Fall den aktuellen Stand nicht korrekt wiedergibt: Unser Flugzeug, die airBaltic-Maschine yl-abn steht noch in Paris, wo sie als Flug LX639 auf ihren Flug nach Zürich vorbereitet wird. Um 15.05 Uhr hätte sie in Paris abheben sollen. Um 17.24 Uhr startete sie schlussendlich in Frankreich. 75 Minuten Flugzeit, Landung wohl erst gegen 18.45 Uhr.

Ich denke mir: Schade, ich hätte gerne wieder den Sonnenuntergang beim Anflug auf Kopenhagen gesehen. Ich blicke zu Vera und sage ihr, dass ich so wenigstens schon ein Thema für den ersten Blog-Beitrag hätte. Sie sieht mich mit verwunderten Augen an und meint, dass das wohl nicht genügend Stoff geben würde. Vielleicht hat sie ja recht, geht mir durch den Kopf, und trotzdem bin ich überzeugt, dass unsere Anreise mehr als genug Material geben wird. Wie recht ich damit hatte, zeigte sich sehr bald.

Die Maschine aus Paris war superschnell in Zürich und bereits um 19 Uhr begann das Boarding für unseren Flug. Wie immer werden Vera und ich als erste ins Flugzeug gelassen. Für mich braucht es immer zwei Personen, die mich auf den Sitz, diesmal 23C in einem Airbus A220-300, platzieren. Eine Viertelstunde später haben alle Passagiere ihren Platz gefunden und ihr Handgepäck verstaut. Und dann beginnt das grosse Warten. Der Captain meldet sich und informiert, dass noch nicht alles Gepäck verladen sei … Die tatsächliche Abflugzeit war dann um 20.08 Uhr, in Kopenhagen gelandet sind wir um 21.30 Uhr. Und damit wir ja nicht zu schnell im Hotel sind, durften wir den Flieger auf einem Aussenstandplatz verlassen.

Für Vera und mich hiess das lange warten bis wir beide die letzten an Bord waren und zwei Personen mich wieder aus dem Sitz hievten, mich auf einem Flugzeug-Rollstuhl aus dem Flugzeug transportierten und mich in einem Hublastwagen auf meinen Rollstuhl setzten. Dann eine Fahrt mit 20 km/h über den halben Flughafen zu einem weiteren Fahrzeug, dass die andere Hälfte des Flughafens abfuhr. Dann endlich Gepäcksuche und die Hoffnung, alles Gepäck sei mit uns geflogen. Die Hoffnung deshalb, weil ich eine SMS bin Swiss erhielt, dass nicht alles Gepäck von mir an Bord war.

Zum Glück war die Nachricht aber eine Falschmeldung. Zwei Koffer, ein Rollstuhl und mein Zuggerät waren in Dänemark angekommen. Freude herrschte und ebenso Vorfreude auf das Bett. Noch kurz eine kleine Verpflegung am Flughafen – ein schrecklich «grusiges» und fettiges Würstchen in einem «tangigen» Brötchen mit Zwiebeln und Senf, der einem das Wasser in die Augen schiessen liess. Dann die Suche nach der Metro M2 in die unmittelbare Nähe des Hotels. Aber die Metro fuhr nicht. Ein freundlicher Herr sagte uns an der Metro-Schranke, wie sollen anstelle des Ersatzbusses den Zug nehmen. Das ginge einfacher. Also ab auf die Suche nach dem Bahnsteig.

Nach einem viertelstündigen Warten, einer viertelstündigen Fahrt und einem viertelstündigen Weg ins Hotel besichtigten wir kurz nach Mitternacht unser Hotelzimmer und mussten zur Kenntnis nehmen, dass das Zimmer überhaupt nicht rollstuhlgängig war. Ich konnte nicht einmal meine Hände waschen, geschweige denn die Toilette benutzen. Es war genau das, was man sich um diese Uhrzeit und einer Anreisedauer von mehr als zwölf Stunden wünscht. Ein guter Start in die Ferien. Willkommen Erholung!

Wie es weitergeht?

Stay tuned!

On a rainy day in Vancouver

Unser letzter Tag in Vancouver. Der Vormittag kündet sich wolkenverhangen an. Für den Nachmittag sind starke Regenfälle vorhergesagt. Wir wollen Granville Island, ein Kultur- und Einkaufsviertel besuchen. Wenig Kultur, viel Einkauf.

Im Oktober letzten Jahres war nicht mehr viel los. Wir konnten damals nur unsere Nasen an den geschlossenen Türen platt drücken und versuchen, Einblicke zu erhaschen. Diesmal ist es offen, so dass wir Eindrücke gewinnen können. Die Einkaufshallen sind ordentlich gefüllt, aber man merkt gut, dass die Saison zu Ende geht. Nicht nur die Rabattschilder deuten darauf hin.

Das Wetter wird grusliger und wir sind froh, in die Markthallen eintauchen zu können. Während dem Trinken eines Kaffees lässt sich das Treiben beobachten. Hier eine Verkäuferin, die mangels Kundschaft gelangweilt im Internet surft, dort ein Stand mit frischen Salaten und Säften. Es sind Chinesinnen, die fleissig am Arbeiten sind. Kundschaft haben sie keine, aber sind dauernd beschäftigt. Schnell wird klar, warum sie so fleissig sind: Ein Etage höher ist ein als Mitarbeiterraum deklarierter Ort, von wo sie überwacht werden. Die „Überwacher“ wechseln sich fleissig ab. Während die chinesische Dame pünktlich wie eine Schweizer Uhr alle fünf Sekunden einen Kontrollblick über den Stand schweifen lässt, nehmen es die Herren nicht so genau. Einer zieht gleich sein Mittagsschläfchen ein.

Interessant ist auch das Beobachten der Marktbesucher. Die einen scheinen mit Freude dabei zu sein, andere wurden wohl mit mehr oder weniger Druck hierher gelotst. Gekauft wird nicht viel. Und wenn dann oft Lebensmittel, die sie schon kennen. Deutsche Touristen sind sofort erkennbar: ihre Blicke richten sie direkt auf Bier und Wurst.

Anyway, der Marktbesuch hat sich gelohnt. Erlebt haben wir viel und während des Marktbesuchs blieben wir trocken. Das änderte sich dann auf dem Weg zurück ins Hotel …

More to come – stay tuned!