Ein Rückblick

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Nun sind wir also zurück und, wie es Christoph beschrieben hat, in der schweizerischen Realität angekommen. Mir ist dies erst im Bahnhof Biel so richtig bewusst geworden, als ich einen ziemlich grossen Klimaunterschied wahrnahm. In Schweden war das Wetter oft kühl und nass, doch strahlen die Menschen in Skandinavien viel Herzlichkeit und Wärme aus. Sie sind freundlich und sehr hilfsbereit. In Zürich und Biel wurden wir von den warmen Temperaturen überrascht, doch war sofort Hektik und mehrheitlich ein «Jeder schaut für sich» spürbar.

Ich erinnere mich sehr gerne an die schwedische Herzlichkeit zurück, sei dies in der Unterkunft in Brösarp, wo jeder, wirklich jeder Hilfe anbot oder dafür nur einmal gefragt werden musste. An die vielbeschäftigte Wirtin, die sich Zeit nahm, mir den Weg zu unserem Zimmer persönlich zu zeigen und der Ober, der ohne zu zögern, Christoph samt Rollstuhl auf die leicht erhöhte Terrasse hievte.

In grösseren Unterkünften oder Hotels war die Herzlichkeit professionell, doch auch hier musste man sich nicht scheuen, um Hilfe zu bitten. Das Servicepersonal nahm sich sogar Zeit für Gespräche. So erfuhren wir von unserem ägyptischen Kellner, dass er zwar in Kairo aufgewachsen ist, aber die Pyramiden in Gizeh und die Tempel in Assuan erst jetzt mit seiner Tochter entdeckte. Oder vom spanisch-britischen Kellner, dass er nach Stockholm ausgewandert ist, wegen seiner schwedischen Frau.

Die Herzlichkeit und Wärme von Marian und Arjan in Tived blieben unübertroffen. Sie sind Gastgeber aus Passion und Liebe zu den Menschen, was sich in ihren liebevoll ausgestatteten Häuschen und Marians schwedisch-holländischer Gourmetküche zeigt.

In Stockholm wurde es grossstädtischer, das Lächeln der Rezeptionistinnen wirkte aufgesetzt und etwas steif. Aber auch im riesigen Hotel wurden wir stets freundlich und entgegenkommend behandelt.

Mit Christoph und seinem Gefährt unterwegs zu sein ist manchmal amüsant, manchmal herausfordernd. Der Swiss Trac ist überall im Ausland eine Attraktion, was zu vielen Blicken, Kommentaren und Fragen oder gar zu Gesprächen führen kann. Ich mochte es, die Leute, die uns begegneten und ihren jeweiligen Gesichtsausdruck zu beobachten. Herausfordernd war, durch die Menschenmenge zu kommen. Ich konnte mich durchschlängeln und ausweichen, Christoph musste immer wieder abbremsen und warten. Er wird trotz der Grösse seines Gefährtes oft übersehen, vor allem von den Touristen. Da braucht es seine Geduld und meine auch. Geduld und einen geschulten Blick brauchten wir auch, wenn es darum ging, in einer Altstadt ein rollstuhlgängiges Restaurant zu finden. In den modernen Quartieren einer Stadt ist das Unterwegsein mit Rollstuhl recht unkompliziert. Davon wird Christoph noch berichten, er ist da ja der Experte.

Wie vielfältig Schweden landschaftlich ist, konnten wir dank unseres Wunderautos sehen und erleben. Die vielen Kilometer wurden zwar für uns beide eine Herausforderung. 300 Kilometer an einem Tag, mehrheitlich auf der Autobahn, waren für mich als Fahrerin ermüdend, für Christoph das lange Ausharren im Auto eine Plage. Und trotzdem haben sich all diese Mühen gelohnt. Wir haben so viel Schönes, Überraschendes und Spannendes erleben dürfen, sind von den unterschiedlichen Landschaften, der üppigen Natur und der Herzlichkeit der Menschen begeistert. Deshalb sagen wir auf Wiedersehen oder wie es die Schweden sagen: Hej då!

Stockholm entdecken

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Heute gehen wir einmal getrennte Wege: Christoph zieht es auf eine kleine Insel, auf der alte Militäranlagen und Werke von Tinguely und Nikki de Saint Phalle zu sehen sind.

Ich will eine Stadtführung per Hop on hop off-Bus machen, um etwas mehr von der Stadt zu erfahren. Die Fahrt dauert zwei volle Stunden und meine Geduld wird vom Fahrstil des Chauffeurs und von den vielen roten Ampeln strapaziert.

Hier einige meiner Erkenntnisse, die ich trotz meiner Ungeduld aus den interessanten, manchmal sogar amüsanten Informationen gewinnen konnte. Es ist eine Aufzählung, die keine bestimmte Reihenfolge einhält und überhaupt nicht historisch fundiert ist. Ein Mosaik aus verschiedensten Informationen zu Stockholm:

Am Ufer des Mälarensees wohnen die Reichen Stockholms. Hier sind die teuersten Wohnungen und Häuser der Stadt zu finden.

Am gegenüberliegenden Ufer steht das Gebäude der alten Münchner Bierbrauerei, wo vor langer Zeit Frauen die Flaschen und Fässer abfüllten. Die Brauerei sollte abgerissen werden, doch protestierten die Stockholmer und aus der Brauerei wurde ein Kulturzentrum.

Eindrücklich ist, dass eine Schleuse den Mälarensee vom Meer trennt: der Seespiegel liegt 8 cm über dem Spiegel des Meeres. Hier bei der «Schluss» (Schleuse) vereinen sich der See und das Meer. Der Untergrund der Häuser am Ufer bei der Schleuse hebt sich pro Jahr um 2mm, was bewirkt, dass sich die Häuser immer mehr zur Seite oder nach hinten neigen. Keines dieser Häuser sei gerade und alle hätten schiefe Wände und Böden.

Stockholm wurde erst zu Schwedens Hauptstadt, als sich der damalige König nach seinem ständigen Herumreisen fest in Stockholm niederliess.

Im 18. Jahrhundert ordnete der König an, dass die Häuser gelb oder orange angemalt würden, damit die dunkel wirkende Stadt heller werde. Die rote, dunklere Farbe, die Macht anzeigte, wurde nicht mehr verwendet.

Der Stockholmer Zirkus ist in einem gemauerten Rundbau untergebracht und noch heute finden dort Vorstellungen statt.

In Stockholm gibt es eine Eisbar, die das ganze Jahr auf -5 Grad Celsius hinunter gekühlt wird. Die Möblierung und die Gläser sind aus Eis und die Gäste werden mit warmen Ponchos und Handschuhen ausstaffiert, damit sie nicht frieren. Diese Bar sei vor allem im Sommer bei den Stockholmern beliebt.

Nach dieser informativen Fahrt will ich nochmals Gamla Stan, die Altstadt, besuchen. Ich bin neugierig, wie weit sich der Trubel der Touristen ausbreitet und ob es auch stille Gassen und Orte gibt. Tatsächlich ist schon eine Nebengasse der Hauptgasse kaum belebt und wunderschön, besonders da es hier weder Läden noch Restaurants gibt. Hier findet man eher Handwerker und Buchläden. Es gibt viele solcher Gassen zu entdecken, eine fällt besonders auf. Sie ist nur 90 cm breit, wird jedoch nachts auch mit Strassenlaternen erleuchtet.

Zwischendurch finde ich Plätze, die beliebte Fotosujets für Touristen sind, etwa die bunte Häuserreihe, die auf Postkarten und Souvenirs immer wieder abgebildet werden.

Ich treffe mich mit Christoph. Doch für ihn und sein Gefährt sind die unregelmässigen Pflastersteine kräfteraubend und mitunter schmerzhaft. So geniesst er einen Kaffee, während dessen ich auf die Suche nach Mitbringsel gehe. Das sollte hier eigentlich kein Problem sein, es wird eines, wenn man keinen Ramsch kaufen will.

Zum Abschluss unserer Stockholmer Zeit gibt es noch ein feines Abendessen, dann spazieren wir durch die moderne Geschäftsstrasse zurück zum Hotel.

ABBA The Museum

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Nach dem Frühstücksbuffet, das räumlich und vom Angebot her so riesig ist, dass ich mich fast verlaufe und kaum weiss, was ich mir auf meinen Teller legen soll, gehen wir wieder los. Unser Ziel: ABBA The Museum. Der Weg führt uns einem Hafen entlang, wo Fischkutter und Touristenboote nebeneinander anlegen. Die Promenade führt dem «Royal Drama Theater» und weiteren imposanten und stattlichen Palästen vorbei. Vornehme Reihenhäuser in jugendstilähnlicher Bauweise schliessen sich an, eine der teuersten Wohngegenden Stockholms. Unser Weg geht über eine weitere Brücke auf die Insel der Museen. Hier gibt es fast alles, was einen zu interessieren vermag: Kunst, Botanik, das versunkene Vasa-Schiff, das mühevoll aus dem Meer geborgen wurde, Volkskunde und noch viel mehr. Christoph hat unsere Eintrittskarten fürs ABBA-Museum online gebucht, damit wir nicht lange für Tickets anstehen müssen. Unsere Gesichter werden lang, als wir die unendliche Warteschlange vor dem Eingang der voraus gebuchten Tickets sehen. Eine halbe Stunde werden wir von ABBA-Musik auf die Ausstellung vorbereitet. Endlich ist es soweit, das hilfsbereite Personal hilft uns, den SwissTrac zu deponieren und dann geht’s los in die laute, glitzernde ABBA-Welt. Die Ausstellung ist toll gemacht, man erfährt alles über den Werdegang von Agnetha, Anni-Frid, Björn und Benny, ihre vorgängigen Solokarrieren, wie sie sich gefunden haben, die Erfolgswelle mit ihrem ehrgeizigen Manager und seiner Frau und vom Ende in Japan 1982. Die extravaganten Kostüme sind zu bewundern, deren Film zu ABBA-Avatar, die Entstehung von Mamma Mia! zu sehen. Man kann mitsingen, auf der Bühne auftreten, alles tun, was das Herz eines überzeugten ABBA-Fans höher schlagen lässt.

Nach eineinhalb Stunden verlassen wir mit dröhnenden Ohren, ein paar ABBA-Ohrwürmern und vielen glitzernden Eindrücken das Museum. Draussen empfängt uns ein stürmisches Stockholm mit einem kalten, heftigen Wind und Nieselregen, so dass wir uns möglichst schnell in die Wärme unseres Hotels flüchten.

Von Tived nach Stockholm

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Wir brechen von Tived in Richtung Stockholm auf, die letzte Fahrt in unserem intelligenten Vehikel (siehe «Moderne Fahrzeuge überfordern mich»). Zuerst zieht es uns für einen kurzen Abstecher in den Tivedens Nationalpark. Das Navi zeigt uns den Weg, die Strasse wird schmaler, der Wald rechts und links immer dichter. Nach 15 km erreichen wir den Eingang zum Park: ein riesiger Parkplatz, Infotafeln und die Aussicht auf einen See mit Inseln. Hier liesse es sich wunderbar wandern oder biken. Da wir nur wenig Zeit haben, wir müssen unser Auto um 17 Uhr in Stockholm abgeben und haben noch eine dreistündige Fahrt (ohne eingerechnete Pausen) vor uns, sehe ich mich kurz um und schiesse ein paar Fotos. Dann starte ich das Auto. Christoph findet es langweilig, den gleichen Weg zurück zu fahren (so gibt ihn das Navi an) und gibt mir seine Copilot-Anweisungen. Wir fahren wieder auf schmalen Strassen, die in noch schmalere einbiegen, zu Naturstrassen werden und irgendwo im Nirgendwo auf einem Bauernhof ein Ende finden. Das Navi zeigt uns einen Waldweg an, schmal und vermutlich ohne jegliche Chance das Auto zu wenden. Jetzt wird es auch dem Copiloten zu abenteuerlich und ich wende das Auto, solange noch Platz genug dafür vorhanden ist.

Bald sind wir auf der sicheren Strasse zurück und fahren erst über Land, immer nach Elchen Ausschau haltend, dann geht’s auf die Autobahn, wo zwischendurch die Elch-Warnschilder auftauchen. Bis kurz vor Stockholm halten sich die scheuen Tiere versteckt. Im Zoo in Stockholm hätten wir noch eine Chance …

In Stockholm lade ich zum letzten Mal unser Gepäck und den SwissTrac aus und zum letzten Mal schaffen wir den kraftaufwändigen Transfer von Christoph. Unser Hotel liegt praktischerweise nur 10 m von der Abgabestelle weg, so haben wir schnell eingecheckt und sind frei für die Entdeckung von Stockholm.

Wir gehen Richtung «Gamla Stan», der Altstadt Stockholms. Über eine der 57 Brücken der Stadt, die auf 14 felsigen Inseln erbaut wurde. «Venedig des Nordens» wird Stockholm auch genannt, dies zu Recht, denn wenn man hier unterwegs ist, trifft man immer wieder auf Wasser, das überquert werden muss, sei es ein Kanal, der Mälarensee oder das Meer.

Die Altstadt ist eine Touristenattraktion sondergleichen und entsprechend viele Menschen drängen durch die beiden Hauptgassen mit Souveniershops, Kleidergeschäften, Cafés und Restaurants. Wir lassen uns erstmal mittreiben, gehen dann die etwas ruhigere zweite Gasse zurück und lassen uns zum Abschluss des Tages in einem Restaurant verwöhnen.

Tived oder «Bullerbü»?

Wir sind wieder mit unserem Wunderauto unterwegs, die Fahrt führt weg von der Westküste Richtung Osten zu den grossen Seen Südschwedens. Unsere nächste Unterkunft liegt am Undensee, einem Nebensee des Vätternsees. Ein kleines familiäres Resort mit acht roten Häuschen, von denen wir eines bewohnen. Von den tollen Gastgebern hat Christoph schon geschrieben («Bin ich ein Schwede?»).

Den ersten Abend lassen wir nach dem Abendessen am See ausklingen, wo wir um 21.15 Uhr einen wunderschönen Sonnenuntergang erleben.

Am nächsten Tag wollen wir das Dorf Tived entdecken, das viereinhalb Kilometer von unserer Unterkunft entfernt ist. Da die Waldwege für Christoph unpassierbar sind, benützen wir die Hauptstrasse. Rechts und links bekommen wir einen ersten Eindruck vom «Urwald» des Tivedens Nationalparkes. Dichtester Wald wechselt mit steinigen Hügeln ab. Bald einmal biegt die Strasse nach Tived ab, und wir befinden uns in einer völlig anderen Welt. Vereinzelte schmucke rote Häuser, zum Teil Bauernhäuser mit Pferdekoppeln davor, dazwischen grüne Wiesen, die teilweise zu den Grundstücken zu gehören scheinen. Mitten drin eine kleine weisse Kirche. Ich komme mir vor, als sei ich in Astrid Lindgrens Bullerbü gelandet. Die roten Häuser mit den weissen Fensterrahmen, den weissen, filigran geschnitzten Dachleisten und Veranden lassen mich, wie damals als Kind, in die Bullerbü-Geschichte eintauchen und ich erwarte, dass jeden Augenblick eines der Bullerbü-Kinder aus einem der Häusern gerannt kommt. Aber nein, das sind nur Gedankenreisen. Doch ist das Dorf Tived mit seinen roten Häusern ein echtes Bijou. Hier wirkt alles friedlich und gemütlich.

Wir spazieren durchs Dorf, vorbei an einem geschlossenen Laden, es ist Sonntag, und einem kleinen Wirtshaus, das die Gäste im hauseigenen Garten empfängt. Sofort ist uns klar, wo wir heute unsere «Fika» abhalten werden. Zuerst wollen wir noch zu der Kirche gehen. Sie ist, wie die meisten Kirchen in Schweden, abgeschlossen. Rund um die Kirche ist ein grosser Friedhof angelegt. Die Gräber liegen in weiten Abständen zueinander und die meisten Grabsteine sind mit einem Holzpflock und einem synthetischen Band stabilisiert. Als ich die Daten der Verstorbenen lese, wird mir schnell klar, wieso diese Vorrichtungen bestehen: da gibt es Gräber von Menschen, die von 1865 bis 1956 oder von 1867 bis 1946 gelebt haben. Ihre Gräber scheint man hier weiterhin zu pflegen. Ob dies die Nachkommen tun? Ein Grab berührt mich auf besondere Weise. Hier sind zwei Frauen begraben: Anna Eriksson, 1888 bis 1941 und Maria Eriksson, 1879 bis 1963. Waren die beiden Schwestern oder sonst miteinander verwandt? War Anna krank, dass sie bereits mit 53 Jahren verstarb? Und welche Erfahrungen hat Maria in ihrem Leben gemacht, das sicher von beiden Weltkriegen beeinflusst wurde? Geschichten fallen mir ein, die jedoch den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden.

Wieder in der Gegenwart nehmen wir den Weg zurück zu der kleinen Wirtschaft, die mehr einem Bistro gleicht. Junge Leute stehen hinter der Theke, wo oben drüber das ganze Angebot auf schwarze Tafeln geschrieben steht. In Schwedisch natürlich, das ich jedoch langsam bruchstückhaft verstehe, wenn ich es in schriftlicher Form vor mir habe. Hilfsbereit gibt mir eine junge Frau eine englisch geschriebene Karte. Es gibt Burger und Pizzas in vielen Varianten, Gebäck oder Eis. Heute wird unsere «Fika» etwas grosszügiger, wir teilen uns eine sehr knusprige Pizza und eine Schokoladenkugel. Wir geniessen den schönen Garten, der von vielen jungen Leuten bevölkert wird und bestaunen die Landschaft und die Nachbarhäuser.

Für den Rückweg teilen wir uns auf, Christoph fährt auf der Strasse mit höherem Tempo, da es zu regnen beginnt, und ich mache mich auf zum Waldweg-Abenteuer. Der Weg ist für Radfahrer und Reiter gedacht und so gekennzeichnet. Erst ist er breit, ein richtiger Waldweg. Ich tauche in Felder von grossen Farnen, hohen Bäumen und farbigen Blumen ein. Hier wachsen Lupinen wild und wechseln sich mit Klee und sonstigen farbenfrohen Blumen ab. Der Weg wird schmal und zu einem Pfad, der sich zwischen dichten Sträuchern, Felsbrocken und sumpfartigen Gewässern durchschlängelt. Einmal ist er in Strassennähe, dann wieder entfernt er sich davon und ich sehe nur noch moosbewachsene Steine und dichten Wald um mich herum. Ich bin fasziniert und etwas beunruhigt zugleich, mitten im Wald ohne Orientierungspunkt zu weilen, fällt mir nicht ganz leicht.

Aber ich bin auf dem richtigen Weg und biege nach weiteren Minuten auf einen breiten Waldweg ein, der zur Hauptstrasse und zu unserem Häuschen zurückführt.

Grebbestad und Tanum Strand

Grebbestad ist eine halbe Stunde Fussweg von unserem Hotel entfernt. Der Weg dorthin führt am Strand entlang, erst über einen Holzsteg vorbei an den kleinen roten Häuschen des Resorts. Dann wird der Weg sandig, links der Strand mit kleinen Buchten und Sandstränden, dahinter das Meer voller kleiner Inseln. Ob das schon die berühmten Schären sind? Bald taucht man in einen grünen Tunnel, der voller besonderer Bäume ist. Es sind ähnliche Baumsorten wie bei uns: Fichten mit knorrigen, verdrehten und ineinander gewachsenen Stämmen und Ästen, Eichen mit viel kleineren Blättern als wir es von der Schweiz kennen. Der Wald lichtet sich und flache Felsen mit Gras Thymian und Sträuchern durchwachsen laden zum Klettern mit Aussicht aufs Meer ein.

Bald kommen die ersten Häuser von Grebbestad in Sicht und der Hafen mit grossen Fischerbooten. Grebbestad ist das Zuhause der Austern, wie auf einem Plakat zu lesen ist. 90% der Austern für Schweden kommen von hier und hier findet auch jedes Jahr der Wettbewerb des Austernöffnens statt. Vom Hafen führt die Meerpromenade an unzähligen Restaurants und Shops für Touristen vorbei ins Dorf hinein.

Wer das eigentliche Dorf entdecken will, überquert die Durchgangsstrasse und geht eine der steilen Strassen hinauf. Hier befinden sich die vielen schmucken weissen oder hellgelben Holzhäuser, manche mit zierlich geschnitzten Veranden, andere mit Blumengärten vor dem Haus. Ein Kleinod schwedischer Architektur. Viele Fenster sind mit Spitzenvorhängen versehen und mit Ziergegenständen wie Schiffe, Lampen, Engelsfiguren geschmückt.

Der Nachmittag hält zwei Überraschungen für uns bereit:

Da ist die Bäckerei mit Tearoom und ihrem Riesensortiment an feinstem Gebäck. Von weitem lockt sie mit dem Duft von frisch gebackenem Brot. «Fika» ist angesagt und wir werden unsäglich verwöhnt. Die Bäckerei ist 150-jährig, hat den Flair von früher behalten und erinnert mit ihrer Ausstattung an die «Gästgifveri» von Brösarp.

Dann der Barbershop, der von einem Iraker betrieben wird. Er lässt sich nach kurzer Zeit dazu überreden, Christoph auf der Strasse vor dem Eingang zu bedienen, da zwei hohe Stufen in seinen Shop hinunter führen. Er geniesst das Arbeiten in der Sonne und Christoph freut sich, seinen Bart loszuwerden.

Der Rückweg führt wieder dem Strand entlang. Unser Hotel gehört zum Dorf Tanum. Hier wurden prähistorische Felsmalereien gefunden, die in der näheren und weiteren Umgebung besichtigt werden können.

Uns sind zwei gemütliche Tage am Meer ohne Autofahrten wichtiger und mit einem tollen Sonnenuntergang verabschiedet sich Tanum Strand von uns.

Göteborg oder das Parkplatzproblem

Am Mittwoch, 2. August verlassen wir Hestra und den Isaberg Mountain und brechen auf Richtung Westküste. Unterwegs wollen wir einen Abstecher nach Göteborg machen, um diese Stadt kennenzulernen und eine Pause auf der langen Strecke von 320 km einzulegen.

Wir suchen im Voraus nach einem Parkhaus, so haben wir einen Behindertenparkplatz garantiert, denken wir. Also Eingabe im Navigationsgerät und los geht die Fahrt. Die Strasse führt lange durch grüne «Tunnels» (Wald links und rechts der Strasse), ab und zu einem See und Weiden entlang. Dann nähern wir uns Göteborg und seinem Strassenwirrwarr. Zum Glück habe ich das Navi und Christoph an meiner Seite! Der Weg führt scheinbar kreuz und quer durch die Vororte Göteborgs und schliesslich landen wir in einer Sackgasse! Ziel verpasst. Wir orientieren uns neu, geben eine neue Adresse ein und fahren los, einen Teil des Weges zurück, kommen nach Göteborg hinein, die Strassen werden enger und enger, führen dicht am Tramgeleise entlang. Endlich landen wir auf einem Parkplatz in Hafennähe, doch wir sehen kein Parkhaus, dazu weit und breit keinen Behindertenparkplatz. Unterwegs waren am Strassenrand einzelne Parkfelder für Behinderte gekennzeichnet, aber für uns zu eng und zu kurz. Wir brauchen viel Platz, um Christoph sicher aus dem Auto auf den Rollstuhl zu transferieren und um den SwissTrac über die Bretter aus dem Auto zu rollen.

Okay, wir suchen weiter, fahren den Weg zurück und biegen bei jedem bezeichneten Parkplatz ein, immer wieder vergeblich. Etwas ratlos fahren wir durch Göteborg und halten weiter Ausschau.

Endlich sehe ich ein Schild mit Rollstuhl und dahinter zwei geeignete Parkplätze auf einem Vorplatz einer Kirche. Sie sind breit und lang genug für uns, ein einziges Problem zeigt sich: die abschüssige Neigung des Bodens. Doch mit viel Geduld und Kraft schaffen wir den Transfer und machen uns auf den Weg, Göteborg zu entdecken.

Wie so oft lassen wir uns vom Gefühl leiten, was diesmal aber nicht recht funktioniert. Göteborg ist am Hang gebaut, mit vielen Treppen, verwinkelten Strassen und ohne erkennbarer Anordnung. Wir sind noch mehr verwirrt. Mit Hilfe des Stadtplans finden wir schliesslich den einen Teil der Altstadt, die hier mit «Haga» bezeichnet wird. Wir gehen über gepflasterte Strassen, die links und rechts von mehrgeschossigen Häusern gesäumt ist. Ursprünglich waren diese Häuser einstöckig und aus Holz, vor ca. 300 Jahren wurde das Fundament mit Steinen verstärkt und die Häuser um bis zu zwei Stockwerke erhöht. Die Stile sind unterschiedlich: einerseits die ursprünglichen weissen Holzhäuser in deren Parterre sich Bäckereien, Kleidergeschäfte oder Souvenierläden befinden. Einige Handwerkerläden wie Hutmacher, Goldschmiede, Töpfereien bieten ihre Ware an. Andererseits hat es Stadthäuser im Jugendstil gebaut oder einfache jüngere Stadthäuser.

Bei einer Bäckerei halten wir schliesslich an. «Fika» ist angesagt. Dies der schwedische Ausdruck für Pause mit Kaffee und Kuchen – Pause und geniessen. Genau das machen wir jetzt, sitzen an einem Tisch am Strassenrand in der Sonne und geniessen unsere «Kanelbulle».

Da wir viel Zeit mit der Parkplatzsuche verloren und noch 130 weitere Kilometer zu fahren haben, lassen wir die zweite «Haga» links liegen und hoffen, den Weg aus der Stadt ohne Komplikationen zu finden. So ist es dann auch und am Abend kommen wir bei untergehenden Sonne an der Westküste an. Grebbestad heisst das Fischerdorf und unser Hotel befindet sich im archäologisch interessanten Tanum. Doch davon später mehr!

Der Mountainbike-Trail

Ort dieses Abenteuers:

Isaberg Mountain Resort, Hestra, mitten in den Bergen Südschwedens, Treffpunkt für Sportler (Mountainbike, Kanu, Standup-Paddeln, Schwimmen, Klettern …), Campen und Familien.

Hauptdarsteller: Christophs Rollstuhl, Christoph, der SwissTrac

Nebendarstellerin: Vera (Begleiterin, Schieberin und Fotografin)

Das Ereignis :

Nach einem misslungenen Versuch einen Trail bergwärts zu absolvieren, sind sich die Mitwirkenden einig, dass ein etwas einfacherer Trail gefunden werden muss. Der Rollstuhl fügt sich in sein Schicksal und rollt brav hinter dem SwissTrac her. Der einfachste Trail wird nun gewählt. Um aber den Schwierigkeitsgrad doch noch etwas zu erhöhen, rollen der Rollstuhl und der Swisstrac in der Gegenrichtung der vorgegebenen Route. Was das bedeutet? Keine Mountenbiker von hinten, die einen überraschen könnten, aber Gegenverkehr, was jedesmal abbremsen, ausweichen und abwarten bedeutet. Etwas was dem Gefährt gar nicht gefällt. Bei den ersten Abfahrten ist noch etwas Vorsicht auszumachen, die steilen Aufstiege werden mit Schiebehilfe von Vera gemeistert. Je länger der Trail dauert, desto waghalsiger wird der Rollstuhl: er liegt in die Kurven, fährt immer schneller die Abhänge hinunter und rollt enthusiastisch über die Bumps-Piste. Der Rollstuhl und Christoph verbünden sich gegen die Schwerkraft und absolvieren alle Hindernisse meisterlich. Der SwissTrac ist als treibende Kraft dabei und ist für alle Abenteuer zu haben.

Die Rolle der Nebendarstellerin? Sie ist mit dem Begriff Nebendarstellerin schon definiert. Sie begleitet, hastet hinterher, weist auf die eine oder andere Naturschönheit hin und hält diese mit dem iPhone fest.

Erst der Regen, der Hunger und eine kleine Bucht lassen das Trio rasten. Kurz vor dem letzten Höllenritt den Berg hinauf wird Kraft getankt und dann gehts zurück zum Resort und unter die Räderdusche.

Effekt dieses Unterfangens: ausgetobter Rollstuhl und SwissTrac, ein strahlendes Gesicht bei Christoph und eine zufriedene Nebendarstellerin.

Ausflug nach Ystad

Ystad liegt südlich von Brösarp am Meer und war früher bekannt für den Heringsfang. Davon merkt man heute nicht mehr viel, ausser auf den Speisekarten der vielen Restaurants, die nur so von Menus mit Meeresfrüchten oder Fischen wimmeln.

Was Ystad bis heute behalten hat und scheinbar auch pflegt, ist der alte Dorfkern. Hier gibt es einige der ältesten Häuser Südschwedens, viele Riegelbauten, Strassen mit farbigen einstöckigen Häusern und viele Handwerkerläden.

Das Schönste auf diesem Ausflug: das Meer. Die salzige, nach Fisch und Algen riechende Luft, der Wind, der das Haar zerzaust, das Meeresrauschen und die unendliche Weite.

Christophs Rollstuhl macht sich bemerkbar

In Kopenhagen haben wir von Mr. Eds Nachfolger erzählt. Er ist, wie Mr. Ed es war, zum treuen Begleiter geworden, ohne den Christoph nicht vom Fleck käme. Mr. Ed hat seinen Namen auf Christophs Reise 2014 in Alaska/USA (https://satzbauer.ch/?p=187) bekommen. Wie geschrieben, suchen wir noch immer einen Namen für seinen Nachfolger. Fündig sind wir auf der bisherigen Reise nicht geworden und die Ideen und Vorschläge von euch Lesenden haben den doch etwas anspruchsvollen Rollstuhl noch nicht überzeugen können.

In den letzten Tagen ist der Rollstuhl aufmüpfig geworden. Er will beachtet werden. Wie er das zeigt? Ganz einfach! Er schleicht sich immer wieder in Fotos rein, respektive rollt immer öfters in Bildausschnitte. Dabei ist er geschickt und schnell, oft bleibt er von mir unbemerkt.

Am 1. August hat er auch bewiesen, dass er seinem Vorgänger Mr. Ed nacheifert. Wie tollkühn er mit Christoph einen Mountainbike-Trail absolviert hat, werdet ihr noch erfahren.

Ich vermute, dass er sich beruhigen würde, wenn er endlich einen Namen hätte und so ein namentlich erwähntes Mitglied unseres Reisetrios werden würde.

Wer hilft uns dabei? Ich fürchte sonst weitere Unannehmlichkeiten ….

Ein Tag in Brösarp

Nach all den Aufregungen der letzten Tage gönnen wir uns einen gemütlichen Tag in Brösarp. Brösarp ist ein recht kleines Dorf, dessen Anziehungspunkt unsere Unterkunft, respektive das dazu gehörende Restaurant ist. Wir merken bald, dass wir in einem Gourmet-Tempel gelandet sind. Der Parkplatz ist sowohl zur Mittagszeit als auch am Abend gerammelt voll und so sieht es auch im Restaurant aus. Voll belegt und ausgebucht.

Wir spazieren der Nase nach durchs Dorf, erst zur weissen Kirche auf einer Anhöhe. Sie ist vom Friedhof umgeben und wir finden Gräber von Verstorbenen, die Ende des 19. Jahrhunderts geboren wurden. Hier werden die Gräber offensichtlich nicht weggeräumt.

Dann geht es einem Bach entlang, an Häusern mit wunderschönen Gärten vorbei und schliesslich kommen wir zu einem Antiquariat. Die antiken Bauteile vor dem Haus sehen nicht sehr einladend aus.

Wir gehen durch ein moderneres Quartier und wieder hinunter zur Hauptstrasse. Auch hier befindet sich ein Antiquariat. Antiquariate gibt es in diesem Dorf mindestens vier und mir wird klar, wo unsere Wirtin all die antiken Dekorationsgegenstände herhaben könnte.

Etwas weiter finden wir ein Café, das jedoch leider seit sieben Minuten geschlossen hat. Ganz in der Nähe winkt eine britische Fahne im Wind. Im Eingang dieser Boutique begrüsst uns Ihre Majestät, die Queen. Ein fast lebensgrosses Abbild mit einem gedeckten Teetisch davor. Die Boutique entpuppt sich als waschechter englischer Laden mit wunderschönem Porzellan und Stoffwaren mit typisch englischen Mustern. Da wir in Schweden sind, wollen wir nicht englische Ware einkaufen und gehen weiter. Bald finden wir einen kleinen Laden, wo wir endlich die ersehnten Früchte bekommen. Nebenan ist ein Coop (es heisst tatsächlich auch in Schweden so). Es ist einem schweizerischen Coop nicht unähnlich. Hier kann man alles für den täglichen Gebrauch einkaufen.

Wir kommen an unserer Unterkunft vorbei und ich frage dort, ob wir für den Abend einen Tisch reservieren könnten. Ausgebucht, ist die Antwort und so wird aus einem süssen Zvieri ein feiner Lachstoast. Das Dessert holen wir auf der anderen Seite des Dorfes bei einem Glacé-Wagen nach und kehren dann zufrieden in unser wunderschönes Zimmer zurück. Es wartet ja noch der Blog auf uns …

«Brösarps Gästgifveri»

Wir verlassen Malmö. Meine Sorge vor dem Fahren eines mir unbekannten Mietautos in einer fremden Stadt ist völlig unbegründet. Wir fahren einen supermodernen Audi A6, ein Auto, das so weit von unseren Vorstellungen eines Alltagsautos entfernt ist wie Malmö von Amerika!

Der Vorteil: wir geben dem Navigationsgerät die Adresse in Brösarp, unserem nächsten Ziel, ein und nichts kann mehr schief gehen. Da auch in Schweden innerorts 50 km/h gelten und der Verkehr hier sehr ruhig, schon fast bedächtig ist, steure ich das Luxusgefährt sicher aus der Stadt. Zugegeben: es macht auch Spass, ein solches Auto leihweise zu fahren!

Die Route führt über Land, vorbei an schier unendlich grossen Getreidefeldern, Maisfeldern, Wiesen bis zum Horizont mit Kühen oder Schafen darauf und immer wieder dichten grünen Wäldern. Die Landschaft ist so weit, wie wir sie von Kanada kennen, doch viel abwechslungsreicher und viel flacher. Der höchste Berg hier in der Gegend erhebt sich 97 m über Meer!

Nach einer guten Stunde Fahrt biegen wir ab und erreichen das Dorf Brösarp. Unser Hotel «Brösarps Gästgifveri» ist schnell gefunden. Ich steige die Treppe zum Eingang hoch und trete ein. Geradeaus geht es in die Küche, rechts in das Restaurant, das in gedämpftes Licht getaucht ist und auf den ersten Blick etwas altmodisch wirkt. Links geht es zu einem Raum mit Bar, reichlichem Vorrat an alkoholischen Getränken und einigen Tischen. Die Rezeption ist in die Ecke zwischen Küche und Restaurant gequetscht, eine kleine Theke und einem PC -Bildschirm. Niemand ist hier. Ich sehe Küchen- und Servicepersonal in der Küche und einige im Restaurant herumwuseln. Doch scheint mich niemand zu bemerken. Nach einigen Minuten trete ich ins Restaurant und frage nach dem Check-in. Nach weiteren Minuten tritt die Wirtin, eine attraktive Mittvierzigerin an die Theke. Ein freundliches «Hej hej» und ich fühle mich willkommen. Sie erklärt mir in flüssigem Englisch wie die Schlüssel funktionieren und wo unser Zimmer sei, in einem weissen Haus mit grüner Tür. Das Zimmer sei grösser als die anderen und das WC habe Haltegriffe. Da bin ich ja mal gespannt! Die Skepsis nach dem Kopenhagener Erlebnis sitzt noch tief.

Also zurück auf den Parkplatz zu Christoph, der im Auto wartet. Ich mache mich auf die Suche nach unserem Zimmer: weisses Haus mit grüner Tür. Weisse Häuser gibt es einige, doch sind ihre Türen entweder rot oder blau. Ich sehe mich in der näheren Umgebung des Restaurants um, doch finde ich nichts. Zuletzt gehe ich nochmals zur Rezeption zurück, suche jemanden, der mir helfen kann. Schliesslich kommt die Wirtin mit mir mit – zum Nachbarshaus, weiss mit grüner Tür! Wo hatte ich bloss meine Augen? Ich schaue nicht lange, gehe zurück zu Christoph und parke das Auto auf den vorhandenen Behindertenparkplatz. Rollstuhl und Koffer ausladen geht gut, aber da ist noch der SwissTrac, den wir dringend brauchen, damit Christoph sich beim Aufstehen festhalten kann. 65 kg überfordern mich definitiv. Inzwischen vertraue ich auf unser Glück, auf meinen Charme und auf die Hilfsbereitschaft der Schweden. Und tatsächlich: ein ziemlich fülliger junger Mann mit seiner Frau spaziert an uns vorbei. Schnell spreche ich ihn an:«Sorry! Are you a strong man? Could you help me, please?» Er ist sofort neben mir, will die Koffer packen. Ich zeige ihm den SwissTrac und mache die Gewichstsangabe.«No problem», meint er, dreht den SwissTrac, packt zu und schwups steht das blaue Schwergewicht neben dem Auto. Stolz schaut mich der «strong man» an. Wir bedanken uns herzlich und machen uns auf zur Zimmerinspektion.

Christoph fährt die Rampe hoch und wir kommen in einen Vorraum. Ein altes Holzsofa mit Kissen steht am Eingang, die Wände sind mit einer Tapete mit grünem Blättermuster und grossen weissen Blüten versehen, der Flur ist etwas schummrig beleuchtet. Die Spannung steigt. Was erwartet uns wohl hinter der Zimmertür Nr. 27? Ich öffne die Tür und bleibe abrupt unter der Türe stehen. Das gibt’s doch nicht!

Ich fühle mich in eine andere Welt versetzt, in eine Welt, wie ich sie aus alten Bilderbücher meiner Grossmutter kenne. Die Wände sind bis auf halbe Höhe mit grünem Holztäfer eingefasst und darüber auch tapeziert, diesmal mit grünen Blätterranken. An der Wand hängen zwei Ölbilder, eines davon etwas schief. Darunter das Doppelbett, mit einer dunkelgrünen Samtdecke und grünen und gelben mit goldenen Stickereien verzierten Kissen. Rechts und links vom Bett stehen zwei filigrane Messingtischchen, oberhalb der Betten sind Messinglampen im Vintage-Stil angebracht. Eine goldene Uhr aus Grossvaters Zeiten hängt an der Wand, ein goldgerahmter Spiegel und ein goldener Garderobehalter mit Häschenbüste schliessen die Wanddekoration ab. Dann steht da noch ein antiker Schreibtisch aus Holz mit passendem Stuhl an der Wand, die verifizierte Einladung für solche Schreiberlinge, wie wir es sind. Die Beleuchtung gibt dem Zimmer mit ihrem warmen Licht eine märchenhafte Atmosphäre. Und so fühle ich mich auch: wie im Märchen.

Christoph weckt mich aus meiner Verzückung und fragt nach der Badezimmerausstattung. Ich öffne die Türe und stehe in einer grünen Badeoase: dunkelgrüne Kacheln an den Wänden, weisser Marmorboden. Die Armaturen sind aus dem letzten Jahrhundert und in goldenem Messing. Das einzig Moderne ist die gläserne Duschwand und das Klo. Platz genug für einen Rollstuhlfahrer ist da und das WC ist mit mobilen Haltegriffen versehen.

Wir sind in einem rollstuhltauglichen Paradies angekommen.

Kopenhagen vom Schiff aus

Um eine Stadt in möglichst kurzer Zeit zu entdecken und mit Informationen zu ihrer Geschichte und Kultur eingedeckt zu werden, gibt es zwei Möglichkeiten: Hop-on, hop-off im Bus oder in Städten mit Flüssen oder Kanälen eine Stadtrundfahrt per Schiff. Da Kopenhagen, ähnlich wie Amsterdam, mit Kanälen durchzogen ist, habe ich schnell entschieden. Eine Schifffahrt muss es sein. Leider sind die Schiffe für Rollstuhlfahrer wie Christoph nicht zugänglich. Sie liegen flach im Wasser, damit sie unter den niedrigen Brücken durchkommen, sind fest bestuhlt, so dass für einen Rollstuhl kein Zugang und kein Platz ist. Christoph hat eine solche Schiffsrundfahrt zum Glück schon vor zehn Jahren gemacht, als er noch ohne Rollstuhl unterwegs war. So ist mein schlechtes Gewissen beruhigt. Vor allem da Christoph den Plan verfolgt, den Crêpes-Stand von vor zehn Jahren zu suchen und sich eine seiner heiss geliebten Crêpes zu gönnen. Bananen-Nutella müsste es sein, genau so wie vor zehn Jahren. Ob er wohl fündig wird? Ich habe da so meine Zweifel!

Ich drängle mich durch die Menschenmassen im Nyhaven, stehe für mein Ticket an und steige schliesslich in das flache Schiff, von wo aus man das Wasser leicht berühren könnte. Pünktlich um 14.15 Uhr legt der Kapitän ab. Der Reiseführer warnt uns vor den niedrigen Brücken, die seien hart und würden unseren Köpfen nicht gut bekommen. Auch sollen wir nicht mit den Fingern die Decken der Brücken berühren. Diese seien sehr schmutzig und klebrig und die Brückenmauern seien immer stärker als unsere Finger … Schon fahren wir unter der ersten Brücke durch, instinktiv zieht man den Kopf ein, obschon ca. 20 cm Platz zwischen Brückenbogen und Kopf bleibt. Aber nach dieser Vorwarnung sind alle Passagiere vorsichtig.

Wir verlassen den Nyhaven und fahren in die Meeresbucht hinaus, vorbei an der modernen Oper. Sie hat ein flaches Dach, das ans KKL in Luzern erinnert. Von diesem Dach springen im Sommer waghalsige Jugendliche ins Meer. «Just for fun», wie der Führer erzählt. Wir fahren weiter raus, die früheren Kasernen der Königlichen Armee ziehen vorbei, weiter hinten sieht man einen hohen Kamin neben einem modernen, abgeschrägten Bau. Das sei die Abfallverbrennungsanlage, die gleichzeitig ein Freizeitzentrum fürs Fassadenklettern und fürs Skifahren während des ganzen Jahres sei. Erstaunlich, wie die Dänen es schaffen, das Nützliche mit dem Vergnügen zu verbinden.

Wir nähern uns dem anderen Ufer der Bucht und eine Menschenansammlung wird sichtbar. Was da wohl zu sehen ist? Wohin pilgern alle, die nach Kopenhagen kommen? Richtig, zu der kleinen Meerjungfrau. Klein wirkt sie wirklich, wie sie auf einem Felsen im Wasser unweit des Ufers sitzt. Gerade weit genug, damit sich nicht alle trauen zu ihr auf den Felsen zu klettern, sie aber doch fotografieren können. Eigentlich wollte ich diese Statue auch besuchen. Doch jetzt, da ich die Menschenmenge sehe, begnüge ich mich mit der berühmten Rückenansicht. Irgendwie tut mir diese Kunstwerk fast leid. Die kleine Meerjungfrau wurde 1921 erschaffen, Modell standen die Geschichte von Hans Christian Anderson und eine Balletttänzerin. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Jungfrau zweimal geköpft und ein Stück aus ihrem Arm entfernt. In der Stadt findet man Ansichtskarten mit ihr als Sujet vor kitschigen Sonnenuntergängen oder zwischen überdimensionierten Schwänen. Ich für mich verstehe nur zu gut, weshalb die kleine Meerjungfrau so betrübt und wehmütig ans Ufer mit den fotografierenden und betatschenden Touristen schaut.

Weiter geht die Fahrt an den königlichen Palästen vorbei, durch ein holländisches Quartier, das von den Holländern zur Zeit des Seehandels mit Indien erbaut wurde. Fährt man durch diesen Kanal, wähnt man sich einmal mehr in Amsterdam. Zum Schluss fährt unser Schiff vor dem riesigen Glasbau der Staatsbibliothek durch, sie sei europaweit die grösste Bibliothek. Dann ist da noch das alte Haus, in dem die Familien der königlichen Soldaten im Mittelalter gratis hochgradigen Alkohol beziehen konnten. Damit sollten die Familien, auch die Kinder, vor den Colibakterien und vor Cholera geschützt werden. Ob wohl deshalb der Alkohol in Dänemark heutzutage so teuer ist? Um dem übermässigen Desinfektionsbedürfnis entgegenzuwirken? Darüber hat uns der Führer nichts erzählt.

Die Fahrt endet wieder im berühmten Nyhaven. Den Nachmittag verbringen wir im «Holländischen Quartier», das durch grosszügige Promenaden, ruhige Strassen und architektonische Vielfalt besticht. Über eine der vielen Velobrücken gehen wir zurück zum Hotel, voll neuer Eindrücke und mit dem Wissen, dass Kopenhagen viel und noch viel mehr zu bieten hat.

More to come. Stay tuned!

Dänemark und Kopenhagen

Dänemark begrüsst uns mit einer orange glühenden Sonne, die im Wolkenmeer versinkt. Unter unserem Flugzeug wechseln Meeresarme und -buchten mit Inseln ab. Erinnerungen an «Ferien auf Saltkrokan» werden wach, ein Kinderbuch aus vergangenen Zeiten. Eine grosse Insel beeindruckt mich besonders. Sie scheint sich kaum aus dem Meer zu erheben und ich stelle mir vor, was mit der Insel geschähe, wenn der Meeresspiegel um einige Zentimeter steigen würde.

Der Anflug auf Kopenhagen lässt das Meer immer näher kommen, Schaumkronen sind zu erkennen und es scheint, als würden wir im Meer landen. Doch nein, wir landen wohlbehalten in Kopenhagen. Was dann folgt, hat Christoph bereits beschrieben.

Am nächsten Mittag, Mittwoch, sind wir startbereit, um die Stadt zu entdecken. Wir sind uns einig über die Art unserer Entdeckungsreise. Christoph hat noch einige Erinnerungen von vor zehn Jahren, für mich ist Kopenhagen unbekannt. Kurze Orientierung auf dem Stadtplan. Wir nehmen uns zwei Ziele vor: den Nyhaven mit den bunten Häusern und die Einkaufsmeile im Stadtzentrum. Sonst lassen wir uns von unserer Neugierde treiben. Unser Weg führt uns einem Kanal entlang über eine breite Promenade. Wir sind wieder zu dritt unterwegs, doch ist der dritte im Bunde nicht mehr Mr. Er., der treue Begleiter von Christoph. Mr. Ed ist Ende 2019 in Pension gegangen und wird nun von einem jüngeren und moderneren Kollegen vertreten. In unseren Herzen und Gedanken ist aber Mr. Ed immer noch mit uns unterwegs. Seine Abenteuerlust bleibt unvergessen, umso mehr, da sein Nachfolger meist brav und in geordneten Bahnen hinter dem SwissTrac herfährt. Einen Namen hat der neue Begleiter von Christoph noch keinen. Vielleicht finden wir einen unterwegs oder vielleicht hat jemand von euch Lesenden eine Idee, wie wir Christophs Rollstuhl nennen könnten. Wir sind offen für eure Vorschläge und dem Gewinner winkt ein Foto- und Textbuch von unserer Kopenhagen-Südschwedenreise.

Doch nun zurück nach Kopenhagen mit Mr. Eds Nachfolger. Wir staunen über die Vielfältigkeit der Architektur: neben Häusern aus dem 17. Jahrhundert stehen modernste Glasgebäude, dann wieder Jugendstilhäuser oder alte Lagerhäuser, die geschickt zu Wohnhäuser umgebaut wurden.

Die Überraschung an diesem Nachmittag ist ein plötzlicher Wolkenbruch, der ohne Ankündigung auf uns niederprasselt. Wir suchen Schutz unter kaum vorhandenen Vordächern, ziehen im stürmischen Wetter den Regenschutz an. Zum Glück hört der Regen so schnell auf, wie er gekommen ist und wir können uns in der wärmenden Sonne trocknen lassen.

Wir steuern durch die enge Strasse im Nyhaven, Vorwärtskommen ist fast unmöglich. Menschenmassen wälzen sich durch die enge Strasse, die von Kneipen und Gourmet-Tempeln gesäumt wird. Die Häuser sind pittoresk, doch schaut man sie sich besser von weitem auf einer Brücke an. Wir sind froh, als wir dem Getümmel entkommen. Die Strassen werden breiter und eine farbige Seitenstrasse lockt mich und uns in Richtung Innenstadt. Bald erreichen wir die Fussgängerzone, mein Gefühl hat mich richtig geleitet. Wir treffen auf neue Menschenmassen, doch ist es hier für uns etwas einfacher vorwärts zu kommen, da die Strassen breit und die Plätze gross sind. Auch hier ist die Architektur ganz unterschiedlich, einmal muten die Häuserreihen grossstädtisch an, manchmal sind es einfache «Arbeiterhäuser» die die Strassen säumen. Alle haben aber etwas gemeinsam: im Untergeschoss sind sie für Touristen eingerichtet. Läden mit allem, was das Herz begehrt, bekannte Marken, Imbissbuden mit den sagenhaften Würstchen, die wir vom Flughafen kennen, oder Restaurants, die Moules, Hamburger, Pizzas oder Shrimps anbieten. Wir begnügen uns mit einer fruchtigen Limonade und dem Beobachten der vielen unterschiedlichen Menschen. Einige Menschen fallen uns besonders auf. Ich stelle unsere Glasflaschen in einen Abfallkübel und drehe mich ab, um ein Foto zu schiessen. In dieser Zeit kommt schon ein Randständiger mit seiner grossen Plastiktüte vorbei und sammelt die Flaschen und die sonstigen Blechbüchsen oder PET-Flaschen ein. Eine Möglichkeit für ihn und seine Kollegen zu ein wenig Geld zu kommen, in dem sie die gesammelte Ware zu den Sammelstellen bringen und das Depot dafür ausbezahlt bekommen. Einmal mehr wird uns das grosse soziale Gefälle einer Grossstadt deutlich vor Augen geführt.

Wir beschliessen, auf einem neuen Weg zurück zum Hotel zu gehen. Essen in einem Lokal mit einem Rollstuhlfahrer ist hier im Zentrum aussichtslos. Die meisten Lokale sind im Kellergeschoss und nur über Treppen erreichbar. Wir gehen, wie so oft in Kopenhagen, einem Kanal entlang, vorbei an alten Häusern, in denen früher Fisch verkauft wurde, am Nationalmuseum, das um diese Zeit schon geschlossen hat, an den Ställen des königlichen Gestüts vorbei und schliesslich am Museum für Architektur entlang, das unser Regenprogramm für morgen wäre. Müde, voller Eindrücke und zufrieden lassen wir uns am Abend von der recht deftigen, oft salzigen dänischen Küche verwöhnen.

Menschen

Drei Wochen reisen in zwei mir recht fremden Ländern bringt neue Eindrücke, spannende Erlebnisse und viele Begegnungen mit Menschen mit sich. Ich mag Menschen, begegne ihnen offen, beobachte sie sehr gerne. Normale Menschen wie du und ich gibt es auch in San Francisco oder Kanada zuhauf. Doch gibt es auch diejenigen, die durch ihr Äusseres oder durch ihr Verhalten auffallen. Wie schnell fällen wir doch Vorurteile? Auch ich ertappe mich immer wieder dabei. Wenn ich es bemerke, versuche ich jeweils hinter die jeweilige menschliche Fassade zu blicken, den Menschen als Mensch zu sehen und nicht als Unikum, Flegel, Tollpatsch oder was auch immer.

Auf unserer Reise sind wir ganz unterschiedlichen Menschen begegnet:

Da war der „rasende“ Assistent im Flughafen San Francisco, der durch ein Missverständnis zum Raser wurde, der dies aber so vollkommen machte trotz seiner offensichtlichen Körperbehinderung.

Im Rocky Mountaineer sass ein amerikanisches Paar vor uns. Sie schien interessiert und kommunizierte mit den Mitreisenden. Er verkroch sich buchstäblich unter einer Decke und verschlief so die Reise von Vancouver nach Whistler. Zum Essen tauchte er aus seinem „Zelt“ auf, danach verkroch er sich wieder. Uns als interessierte Reisende mutete dies sehr seltsam an und sein Verhalten belächelten wir. Doch was steckte dahinter? Wirklich Desinteresse? Machte er die Reise seiner Frau zuliebe? War er krank? Ich weiss es nicht. Doch denke ich, dass er seine Gründe gehabt haben wird.

In Quesnel wurden wir vorgewarnt, dass die Menschen sehr neugierig gegenüber Fremden seien. Der erste Taxifahrer war ein junger, griesgrämiger Typ, der in seinem Wagen sitzenblieb und sich, ausser dass er uns zum richtigen Hotel fuhr, überhaupt nicht um uns kümmerte. Ob er genug hatte vom ganzen Tag? Ob er einen mühsamen Abend zuhause vor Augen hatte oder eine Magenverstimmung? Wir liessen ihn mit einem Thank you und Bye ziehen.

Völlig gegensätzlich begegnete uns der Desk Manager des Hotels. Er wollte wissen, was für ein Schwergewicht (SwissTrac) er aus dem Bus gehievt hatte und wie diese Maschine funktioniere. Als ich ihn später nach einer Roll-in shower fragte, gab er mir ganz beflissen zur Antwort, keines der Hotels in der Stadt habe eine solche Dusche. Dafür war er sehr zuvorkommend, als ich ihn um einen Duschstuhl bat. Er führte mich in einen überstellten Keller, zeigte mir den riesigen, aber stabilen Stuhl und liess es sich nicht nehmen, mich in unser Zimmer zu begleiten und mir den Stuhl zu demonstrieren. Mit erhobenem Kinn und pfeifend verliess er dann unser Zimmer. Mit schwungvollem Gang, der irgendwie nicht ganz zu seiner Körperfülle passte. Ein Original, das seinen Job sehr ernst nimmt und sich uns gegenüber sehr hilfsbereit zeigte. Wir denken dank ihm gerne an unseren Aufenthalt in Quesnel zurück.

Wir sind durch Mr. Ed und dem SwissTrac unzähligen neugierigen, interessierten und herzlichen Menschen begegnet. Immer wieder wurde Christoph auf sein Gefährt angesprochen, viele haben einen behinderten Verwandten oder Bekannten oder fanden Christophs Duo einfach nur genial, super, grossartig…

Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft ist ein Kennzeichen der Kanadier. Überall, wo wir auftauchten, boten uns Menschen ihre Hilfe an. Wer mich beim Ausladen von SwissTrac und Mr. Ed beobachtete, war schnell zu Stelle und wollte helfen.

Kanada ist ein Land mit verschiedensten Kulturen und somit auch mit den verschiedensten Ausprägungen der Menschen. Durch die Immigration im 19. Jahrhundert, die mit dem Kanadischen Bahnbau einherging, fassten die asiatischen Kulturen hier stark Fuss. Somit begegneten uns sehr viele Asiaten, die sich durch ihr Handeln, ihre Kleider und ihr fehlenden iPhones mit Selfiestick deutlich von ihren Landsleuten, die als Touristen unterwegs sind, unterscheiden.

Wenn man reist wie wir, mit Flugzeug, Bahn und Auto, unterwegs in Hotels übernachtet, kommt mit man nicht um menschliche Kontakte herum.

Neben den vielen eindrücklichen Landschaften werden mir vor allem die Menschen von Kanada, ihre Geschichte, ihr Überlebenswille, ihr Humor, ihre Herzlichkeit und Freundlichkeit in Erinnerung bleiben. Sie machen ihr Land lebendig und tragen es im Herzen. Etwas davon werde ich mit grosser Dankbarkeit zurück in meinen Schweizer Alltag mitnehmen.

Von Kamloops nach Harrison Hot Springs und Vancouver

Da wir von Kamloops auf unserer letzten Kanadareise nichts bekamen ausser den Weg vom Bahnhof zum Hotel und zurück, sehen wir uns in der Stadt noch etwas um. Wir beobachten wie viele kilometerlange Güterzüge über die verschiedenen Brücken in alle Himmelsrichtungen fahren. Kamloops ist seit dem 19. Jahrhundert eine Handelsstadt. Hier fliessen der North Thompson River und der South Thompson River zusammen, münden als einen Fluss in den Kamloops Lake. Es ist spannend zu sehen, wie wenig Touristen und Souvenirläden es hier gibt. Für uns ist es erholsam, den eigentlichen Bewohnern Kamloops zu begegnen. Neben den eiligen Geschäftsleuten gibt es viele ärmlich gekleidete Menschen und etwa ebenso viele gutbürgerliche Leute. Nach einer kurzen Tour durch die Stadt machen wir im Park am Fluss Mittagspause.

Danach gibt es einen Endspurt nach Harrison Hot Springs. Es ist der angesagte Ausflugs- und Erholungsort der Bewohner von Vancouver und Umgebung, da es nur 90 Minuten Autofahrzeit entfernt liegt. Auf der Suche nach einem Abendessen spazieren wir auf der Seepromenade, eine sehr schöne Anlage mit Sandstrand und einem Rundweg um die Lagune. Vom Ende des Sees grüssen die Berge herüber und die vielen Motels, Bungalows und Hotels lassen erahnen, was an warmen Tagen hier los ist.

Am nächsten Morgen beginnt unsere letzte Autofahrt, die uns nach Vancouver zurückbringt. Unser Ziel ist der Flughafen, wo wir das Auto zurückgeben müssen. Die Fahrt geht dem Fraser River entlang, durch Dörfer, die Mission und Maple Ridge heissen. Ein letztes Mal besuche ich einen Tim Hortens und besorge uns eine Stärkung für den zunehmenden Verkehr. Je näher wir der Stadt Vancouver kommen, desto breiter (wird der Highway (bis zu sechs Spuren), desto dichter der Schilder-Wald und desto verwirrlicher die Angaben des Navis. Sich verfahren hat aber auch Gutes an sich: wir können endlich die beiden Holzbretter, die uns so dienlich waren, bei einer Entsorgungsstelle zurücklassen, einen Washroom finden und Christoph, der Navigator kann sich neu orientieren. Wir sind alle erleichtert, als wir bei der Autovermietung ankommen. Ein Angestellter weist mich energisch ein und verlangt in kontrollierendem Ton den Mietvertrag. Ob es ihn stört, dass die Frau und nicht der Mann am Steuer sitzt? Als ich ihn später nett und extra etwas hilflos bitte, mir beim Ausladen des Swiss Tracs zu helfen, der ja 65 kg wiegt, wird er plötzlich nett und zuvorkommend, erklärt uns den Weg zum SkyTrain in die Stadt und verabschiedet sich freundlich. Nur nebenbei bemerkt: der kräftige Mann überliess beim Ausladen das Mehrgewicht mir ….

Wir sind alle froh und dankbar, wieder gesund und munter in Vancouver angekommen zu sein. Hier bleibt uns noch ein ganzer Tag, um uns von Kanada zu verabschieden, bevor wir am Freitag die Reise zurück in die Schweiz antreten.

Von Banff nach Revelstoke und Kamloops

Banff ist eine Kleinstadt, die am Rande der Rocky Mountains liegt. Durch ihre Lage nahe bei den Bergen und auf 1399 Metern über Meer, durch den sie umgebenden Banff National Park, die heissen Thermalquellen, Wasserfälle und zwei Seen in der Nähe, ist Banff ein beliebter Tourismusort geworden. Die Stadt hat für uns aber durchaus Charme: die Häuser aus der Viktorianischen Zeit, eine der ältesten Kirchen Kanadas aus dem 19. Jahrhundert, die schönen Parkanlagen und Uferwege dem Bow River entlang bieten eindrückliche Sehenswürdigkeiten, die einen die unzähligen Souveniershops und die vielen Touristen übersehen lassen.

Eine weitere Sehenswürdigkeit haben wir ausfindig gemacht. Züge, Lokomotiven und Bahnhöfe haben viel Anziehungskraft auf Christoph. So ziehen wir nach unserem schon fast traditionellen Tim Hortens-Frühstück Richtung Bahnhof los. Hier im Bahnhofsinneren fühlt man sich gleich um die zwei Jahrhunderte in der Bahngeschichte zurückversetzt. Das Interieur, die alten Fotos an allen Wänden, die alten Werbeplakate, wir wähnen uns auf einer Zeitreise.

Am nächsten Tag brechen wir Richtung Revelstoke auf, einem Zwischenstopp, der mit einem Eisenbahnmuseum und der Ghost Town interessant zu werden verspricht.

Auf der langen Autofahrt kommen wir am Lake Louise vorbei. Er ist am Fuss eines Gletschers und von Bergen umgeben sehr schön gelegen, doch von Touristen und Gästen des monumentalen Fairmont Hotels überlaufen und lädt wenig zum Verweilen ein. Die bewaldeten Hügel des gegenüberliegenden Tales sind mit Schneisen der legendären Skipisten überzogen. Die Natur zahlt ihre Tribute an die modernen Bedürfnisse der Menschen und des Skisports.

Wir sind froh, wieder in Ruhe unterwegs zu sein, über den Trans Canada Highway 1 East, durch die etwas weniger hohen Berge und Hügel, Flüssen und Seen entlang bis wir gegen Abend in unserer nächsten Übernachtungsstadt Revelstoke ankommen.

Revelstoke ist eine kleine Stadt mit einer grossen Geschichte. Sie war im 19. Jahrhundert erst ein wichtiger Standort und Lagerplatz für die Trapper und ihren Fellhandel, später Versorgungsort für die Bergleute, die hier nach Edelsteinen suchten. Auch während der Bauzeit der Canadian Pacific Railway (1880-er Jahre) wuchs die Stadt und erlangte Bedeutung.

Nach dem Besuch im Railway Museum machen wir uns auf den Weg die Revelstokes Down Town zu entdecken. Eine Kirche aus der Pionierzeit, ein paar wenige Häuser im viktorianischen Stil, viele im kleinstädtischen Stil: schmal, zweistöckig mit Veranda, ein Sportplatz, das Gerichtsgebäude, das nachts beleuchtet wird und die Stadtverwaltung – that’s it!

Am nächsten Morgen geht die Fahrt Richtung Kamloops weiter. Unterwegs besuchen wir die Ghost Town, ein Freiluftmuseum. Die Stunden vergehen wie im Flug und nach einem späten Mittagessen um 16 Uhr fahren wir wieder los. Die Gegend verändert sich nun stark: die Berge werden zu Hügeln, die weiten Ebenen werden von Farmern bewirtschaftet, überall lesen wir Hinweise auf die Wine Route oder auf einzelne Winerys. Dazwischen sehen wir ab und zu den Fraser River, der hier zu einem sehr breiten Fluss angewachsen ist und als Transportweg für unzählige Tonnen Baumstämme dient.

In der Dämmerung erreichen wir Kamloops. Wir werden mit dem Besuch unserer letztjährigen Helferin hier in Kamloops (siehe Mr. Ed am Ende) überrascht und verbringen mit ihr zwei wunderschöne Stunden. Wir haben eine kanadische Freundin gewonnen.

Der Indianer von Lake Louise

Zuerst werden zwei Beine sichtbar. Beine, die in einer roten, mit bunten Borten verzierten Hose stecken. Darunter feste Schuhe mit farbigen Überzügen aus Wildleder, ähnlich den indianischen Mokassins. Durch das Gebüsch leuchtet ein beigefarbenes Hemd. Fransen zieren die Ärmel, bestickte Bänder flattern im Wind. Zwischen Büschen sitzt eine regungslose Gestalt, aufrecht, in sich ruhend. Das Gesicht umrahmt von einem riesigen Federschmuck, gefertigt aus Adlerfedern. Die dunklen Augen sind in die Ferne gerichtet, auf den Gletscher am Ende des Sees. Lake Louise haben ihn die Engländer genannt. Louise war eine Tochter ihrer Königin Victoria. Wie seine Vorfahren den See nannten, weiss er nicht, zuviel Zeit ist seither vergangen.

Seine Hände klauben einen Brocken Brot mit Wurst aus einer Plastikschale. Er muss sich stärken, körperlich und seelisch. Langsam kaut er sein Essen. Sein Grossvater hat ihm dies beigebracht. Langsames Essen macht eher satt und hält länger das Hungergefühl fern. Die vielen Menschen um sich herum nimmt er in diesem Moment nicht wahr. Widme dich deiner Tätigkeit voll und ganz, weile im Hier und Jetzt, auch eine Weisheit seines Grossvaters. Ein paar Schlucke Wasser. Die Quelle des Lebens, die auch ihn labt. Er steht auf, legt die Plastikschale und seine Trinkflasche zurück in den Handwagen. Seinen Sitz klappt er sorgsam zu und vertraut auch ihn dem Wagen an. Im Gebüsch verborgen, sehen ihn die flüchtigen Blicke der Touristen nicht.

Er dreht sich wieder Richtung See, schaut zum ewigen Eis, das seine Vorfahren schon kannten. Mit geschlossenen Augen sucht er seine innere Ruhe, atmet tief ein und aus, einmal, zweimal. Beim dritten Mal öffnet er die Augen, verzieht seinen Mund zu einem Lächeln und geht die wenigen Schritte zum Seeufer. Hier steht sein Stein, sein treuer Gefährte, sein fester Boden, der ihm in der folgenden Stunde Halt gibt. Im Rücken das lebendige Wasser des Sees und die Unverrückbarkeit der Berge. Sie geben ihm Stärke und Geduld. Er ist bereit. Bereit für die Touristen als Fotosujet zu dienen und auf ihre Gaben zu warten.

Von Jasper nach Banff

Der neue Tag begrüsst uns mit blauem Himmel und warmen Sonnenstrahlen. Gänzlich andere Voraussetzungen als bei unserer letzten Fahrt durch die Rockies im letzten Oktober (Regen und Schneefall).

Nachdem der Swiss Trac problemlos über seine improvisierte Rampe ins Auto fährt, Mr. Ed und unsere Koffer im Auto verstaut sind, kann’s losgehen.

Zuerst fahren wir nach Jasper. Tim Hortens ist unser Gastgeber fürs Frühstück. Er ist bekannt für den besten Kaffee Kanadas, red rose Tee und feine heisse Schokolade, für verführerisches, sehr süsses kanadisches Gebäck: Cookies so gross wie Kaffeeteller, Donuts in allen Variationen: mit Honig, Butter, Zuckerguss; Croissants, Muffins, Zimtschnecken, Dänischer Plunder … Und frisch gepresster Orangensaft. Ich jongliere mit Tüten, randvollen Bechern und Saft zurück zum Auto, und wir schlemmen auf gutbürgerlich kanadische Art im Auto (so ersparen wir mir das erneute Ausladen von Mr. Ed und Christoph das für ihn aufwändige Transferieren).

Frisch gelabt und mit viel Zuckergeschmack im Mund starten wir Richtung Banff. Unsere Fahrt ist einmal mehr unvergleichlich schön. Die felsigen Kolosse ziehen an uns vorüber, die markanten schiefergrauen Felswände werden von der Sonne beleuchtet und erheben sich majestätisch vor dem blauen Himmel. Zu ihren Füssen die unendlichen Fichtenwälder, dazwischen die eisblauen oder grünlichen Flüsse … Schwierig, diese Naturschönheiten zu beschreiben!

Wir gewinnen unermüdlich an Höhe. Deutlich sieht man bis in welche Klimazonen sich der Beetle, der Holzwurm, wohlfühlt. Die Bäume sind ab 1200 Höhenmetern durchgehend grün. Es wird kühler und kühler. In Jasper zeigte das Aussenthermometer 22 Grad an, nun auf 1900 Metern gerade noch 10. Wir fahren am berühmten Columbia Icefield vorbei. Es war einst ein eindrücklich grosses Eisfeld, das aus acht einzelnen Gletscher besteht. Mit Erschrecken sehen wir, um wie viele hundert Meter und um wie viel Masse diese in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen sind. Die verbleibenden Eisfelder grenzen an die Felslandschaften, wovon sie sich zurückgezogen haben.

Die Strasse folgt der Berg- und Tallandschaft, mal sehen wir, wie sich die Strasse in der Weite eines Tales verliert, manchmal sind wir einfach nur neugierig, was wir hinter der nächsten Kurve antreffen werden. Auch hier wechseln die Landschaftsbilder immer wieder.

Unsere nächste Station ist der Peyto Lake. Vom Parkplatz führt ein steiler Weg hinunter auf eine kleine Aussichtsplattform. Während dem ich neben Mr. Ed und Christoph hergehe, übrigens benimmt sich Mr. Ed hochanständig und hält sich an die Tempolimite, die ihm Christoph vorgibt, frage ich mich, ob ich es schaffen werde, die beiden wieder diesen Berg hinauf zu schieben. Meine Gedanken werden von der genialen Aussicht unterbrochen. Vor uns in der Tiefe liegt der Peyto Lake, ein Gletschersee der zwischen hohen Bergen eingeschlossen da liegt. Das Besondere ist seine Farbe: petrolblau-grün-türkis-blau trifft es nicht annähernd. Die Berge und Wolken spiegeln sich in ihm, was noch mehr Farbnuancen hervorzaubert. Dahinter sieht man den Gletscher, der den See speist. Auch dieser scheint sich stark zurückgezogen zu haben. Am Ende des Sees verlieren sich die Bergketten in der Ferne. Da fühle ich mich einmal mehr auf dieser Reise als kleines unbedeutendes Salzkorn und Teilchen der grandiosen Schöpfung.

Eine sehr nette und unvergessliche Bekanntschaft mache ich auf der Plattform. Ein Chipmunk turnt auf einer Sitzbank herum und kümmert sich herzlich wenig um die Touristen. Ich knie etwas entfernt auf dem Boden, beobachte und fotografiere das herzige Tierchen. Plötzlich springt das Chipmunk von der Bank und trippelt in meine Richtung. Es kommt näher, zögert kurz, kommt noch näher. Hoffentlich schlüpft es mir nicht unter meinen Rock, einer meiner Gedanken. Da bleibt es stehen und beginnt an den Brosamen neben mir auf dem Boden zu knabbern. Ich halte mich ganz still und sehe dem Wicht bei seiner Mahlzeit in ca. 15 cm Entfernung zu. Als eine Horde Touristen kommt, huscht mein kleiner Freund ins nächste Gebüsch.

Der Mond steht schon über den Bergen, als wir nach Banff aufbrechen. Ach ja, das Stossen den Berg hinauf wird mir von einem charmanten, starken jungen Mann abgenommen, der locker joggend Mr. Ed samt Christoph zurück auf den Parkplatz bringt. So sind die Kanadier: hilfsbereit und herzlich.

Verschlossene Kirchen

Es begann in San Francisco. Ich wollte mir eine amerikanische Kirche von innen anschauen. Leider war ich etwas zu spät dran: die Eingangstüre war verschlossen, daran hing ein Zettel mit den Öffnungszeiten: 9am to 5pm. 

Ich versuche es erneut in Banff. Natürlich mit dem Wissen, dass ich die Chance, eine amerikanische Kirche zu besuchen, verpasst habe. Doch kanadische Gotteshäuser können auch spannend sein (siehe „Versteckte Kirchen“). In Banff kommt man in der Down Town öfters an einer Kirche vorbei. An jeder ihrer Pforten ist die Zugehörigkeit der Kirche vermerkt und überall steht in grossen Lettern WELCOME! Ich wittere bei jeder Kirche die Chance, in ihr Inneres zu gelangen und bin insgeheim gespannt, welche kirchliche Glaubensgemeinschaft ihr Willkommensgruss bis ins Türschloss fliessen lässt. Leider werde ich enttäuscht, allesamt sind sie verschlossen und werden offenbar nur sonntags für den Gottesdienst geöffnet.

Vielleicht ist es ja in einem kleineren Ort, der mehr auf dem Land liegt und weniger von Touristen frequentiert wird, besser. In Revelstoke entdecke ich zwei Kirchen. Sie sind ganz anders gebaut als die bisher gesehenen. Eine sieht einem normalen Haus von hier sehr ähnlich. Also fasse ich neuen Mut und mache mich auf zur Tür … Verschlossen! Nur ein Zettel an der Tür weist darauf hin, dass wer einen kirchlichen Dienst braucht, sich ans Church Office wenden könne.

Nein, ich gebe noch nicht auf! In den nächsten Tagen werden sich noch weitere Möglichkeiten anbieten. Ob ich erfolgreicher sein werde? We will see !

Jasper und Maligne Lake (Teil 2)

An unserem zweiten Tag in Jasper stehen praktische Erledigungen an: Einkaufen im Homecenter und Waschen. Das tönt im ersten Moment langweilig, entpuppt sich aber auch in einem für mich zwar nicht mehr ganz so fremden Land als kleines Abenteuer.

Zuerst fahren wir zum Homecenter. Wir brauchen zwei Holzbretter, gut 10 cm breit und ca. zwei Meter lang, die wir zur Rampe für den Swiss Trac umfunktionieren wollen. Im Center stehen viele Regale vollgestopft mit allem, was man fürs Handwerken und Bauen braucht. Dazwischen steht Kinderspielzeug und ein Ständer voller Flipflops, Tierzubehör und in eine Ecke gedrängt der Verkaufstresen. Holz finden wir hier jedoch keines. Also geht’s wieder raus zu den Holzstapeln vor dem Geschäft. Hier kommt uns ein fröhlicher Mitarbeiter entgegen und fragt nach unseren Wünschen. Er überlegt, kratzt sich am Kopf und nickt plötzlich. Schon stehen wir vor einem Stapel mit den für uns perfekten Brettern. Wir werden vom Mitarbeiter zurück in den Laden zur Kasse begleitet. Ein anderer kommt mit uns zum Auto, um unser Vorhaben zu begutachten. Er stellt ein paar Fragen und gibt grünes Licht: die Bretter werden halten und brauchen keine Befestigung. Super, ein Problem gelöst! Testen werden wir später.

Nun geht’s auf zur Laundry. Hier in Jasper wird Wäsche waschen zum Social Event. Zwei Treppen führen ins Untergeschoss eines Hauses. Davor sitzen auf Stühlen Leute mit Kaffee-Bechern und warten offenbar auf ihre Wäsche. Drinnen, gleich links ist eine Bar, wo Kaffee, Kuchen und sonstige Schleckereien gekauft werden können. Daneben drei Doppelreihen mit je 14 Waschmaschinen mit verschiedenen Trommelgrössen: normal, X-Large und super Large. An der Wand rechts stehen 32 Tumbler in einer doppelstöckigen Reihe. Eine Wäsche dauert 30 Min., gerade Zeit genug, um gemütlich einen Kaffee zu trinken oder in der Internet-Ecke zu surfen. Vor der hinteren linken Wand wurde eine Lounge eingerichtet, wo Männer zu einem Schwatz beisammen sitzen. Die Rückwand der Laundry ist mit Washrooms inklusive Duschen ausgestattet.

Ich wasche hier unsere Wäsche und werde Teil einer durchmischten Gruppe von Menschen: Ehepaare, die vermutlich im Wohnmobil unterwegs sind, Biker, die auch die Dusche benützen, Einheimische, die wohl keine eigene Waschmaschine haben, Familien, die mit Koffern daher kommen, Hiker, die an ihren erdigen Wanderschuhen erkennbar sind. Jeder hat sein Bündel schmutziger Wäsche dabei, wäscht, trocknet, faltet zusammen und geht zufrieden wieder seines Weges. 

Da Mr. Ed mit Christoph keinen Zugang hat, nutzen wir die halbe Stunde, um die Läden der Stadt zu erkunden. Ein Abstecher zu Tim Hortens folgt, während die Wäsche im Tumbler getrocknet wird. Hier kommt Christoph zum besten Kaffee Kanadas und ich zu einer feinen Hot Chocolate. So lässt es sich doch angenehm und gemütlich Wäsche erledigen.

Am Nachmittag machen wir uns mit dem Auto auf den Weg zum Maligne Lake. Meine erste längere Fahrt auf kanadischen Strassen! Da ich eine geübte und an Langstrecken gewohnte Autofahrerin bin, machte mir dieses Vorhaben im Voraus keine Sorgen. Mein erster Eindruck der Autofahrer in Jasper ist ein sehr angenehmer. Alle sind in gemächlichen Tempo und rücksichtsvoll unterwegs. Ausserhalb sind die Strassen breit und mit einem durchgehenden Seitenstreifen versehen, auf dem man jederzeit anhalten kann, sei dies um einen Bären zu beobachten oder die tolle Sicht auf die Rockies zu fotografieren.

Der Himmel ist ausnahmsweise einmal grau, zwischendurch fallen ein paar Tropfen. Wir geniessen trotzdem die Fahrt durch die felsigen Bergkolosse und bestaunen einmal mehr die Wälder und eisig blauen Flüsse.

Maligne Lake ist ein kalte Bergsee, der aus einem Gletscher gespiesen wird. In ihm leben Forellen und andere in der Kälte heimische Fische, die offenbar bei Fischern beliebt sind. Mehrere Fischerkanus sind auf dem See unterwegs. Die Kulisse ist einmal mehr beeindruckend schön, trotzdem sie sich heute in Grautönen zeigt.

Ein Tag voller Erlebnisse und mit vielen Eindrücken geht zu Ende. Morgen machen wir uns auf den Weg Richtung Banff. Auch das wird ein Wiedersehen geben, diesmal mit den Rocky Mountains.

Jasper und Maligne Lake (Teil 1)

Kaum sind wir aus dem Rocky Mountaineer gestiegen, macht sich das Gefühl von Heimkommen in uns beiden breit. Wir werden von Elsa empfangen, die im letzten Herbst dabei war, als Mr. Ed von Jason, dem Zugmechaniker, geflickt wurde (siehe „Mr. Ed am Ende (Part lll)“). Sie ist inzwischen Station Managerin und empfängt uns in smarter Uniform und einem strahlenden Lächeln. Auch andere vertraute Gesichter vom letzten Jahr tauchen auf. Alle strahlen, lachen erinnern sich und heissen uns willkommen. 

Hier werden wir mit einem modernen Reisebus ins Hotel gefahren. Mr. Ed darf auch im Fahrgastraum mitfahren und mit uns die von der Abendsonne beleuchteten Berge ringsum bewundern.

Wir gönnen uns einen Ruhetag in Jasper. Nach dem dreimaligen frühen Aufstehen, haben wir uns das Ausschlafen verdient. Am nächsten Tag werden wir von der unvergleichlich schönen Sicht aus unserem Hotelzimmer auf den Lake Beauvert überrascht. Die Berge spiegeln sich im dunkelgrünen Wasser, der Himmel ist wolkenlos blau und auf der Wiese vor dem Hotel tummelt sich lauthals eine Schar Gänse.

Wir lassen uns auf der Terrasse mit Blick auf die schöne Aussicht das Mittagessen schmecken. Gesellschaft bekommen wir von einem Chipmunk (Streifenhörnchen), das gemütlich unter meinem Stuhl und zwischen Mr. Eds Rädern hindurch schlüpft und einer Elster, die sich frech die Essensreste von den verlassenen Tischen holt. 

Danach machen wir uns auf den Weg nach Jasper. Wir wollen unser Mietauto abholen und brauchen noch eine Lösung, um den 65 kg schweren Swiss Trac ins Auto zu verladen. Da Jasper über eine Art Homecenter verfügt, sollte dies nicht allzu schwierig werden. Zuerst geht der Weg der riesigen Golfanlage des Hotels entlang, dann durch den Wald. Überall wird vor Bären und Elchen gewarnt. Wir halten die Augen offen, sprechen miteinander, oder ich singe vor mich hin, damit uns allfällig herumstreunende Wildtiere hören können. Doch alles bleibt ruhig. Doch nein, das stimmt nicht ganz. Ab und zu wieselt ein Chipmunk über den Weg. Diese allerliebsten Winzlinge sind absolut harmlos und so flink, dass wir uns jeweils mit Schauen beeilen müssen, um sie überhaupt zu sehen.

Wir kommen nach ca. einer Stunde heil und munter am Bahnhof Jasper an. Das Homecenter schliesst um 17 Uhr, doch sollte es zeitlich knapp reichen, da Christoph das Auto mit allen Angaben reserviert hat. Der Mietautoverleih befindet sich in der Bahnhofshalle. Diese sieht noch genau gleich aus wie im letzten Oktober und sofort sind die damaligen Ereignisse wieder präsent: auf diesem Sessel bin ich gesessen, dort in jener Ecke fand die „Operation“ von Mr. Ed statt …

Wir haben genügend Zeit in Erinnerungen zu schwelgen, denn die Abwicklung der Formalitäten für den Mietwagen dauern und dauern. Der PC hat seine Tücken und die Zeiger der Bahnhofsuhr hüpfen eifrig Richtung 17 Uhr. Um 16.50 sind wir endlich im Besitz des Autoschlüssels und das Auto ist „geprüft“. Nun ja, wir haben Zeit und morgen hat das Homecenter auch wieder auf.

Wir bummeln durch Jasper. Die Kleinstadt wirkt völlig anders im warmen Sonnenschein als im letzten Oktober bei beissender Kälte, die einen Handschuhkauf nach sich zog.

Durstig setzen wir uns in ein Strassencafé. Es geht nicht lange, steht ein älterer Herr vor uns. Er fragt Christoph, ob wir gestern aus dem Rocky Mountaineer gestiegen seien. Wir bestätigen und öffnen damit die Tür für ein Gespräch über Mr. Ed, die Züge, Jasper, das Wetter und zum Schluss händigt er Christoph seine Visitenkarte aus. Er reicht ihm die Hand zum Abschied und geht. Im Vorbeigehen schenkt er mir wenigstens noch ein Lächeln. Er scheint ein Herr uralter Schule zu sein.

Von Quesnel nach Jasper

Quesnel ist mit 10’000 Einwohnern ein für kanadische Verhältnisse kleiner Ort. Die Leute leben und arbeiten hier. Sie reisen kaum und verlassen ihren Wohnort auch sonst sehr selten. Darum, so informieren uns die Hosts, sei es für sie immer eine kleine Sensation, wenn der Rocky Mountaineer bei ihnen Halt mache. Wir würden ganz sicher von allen, denen wir begegnen danach gefragt, woher wir kämen. 

Wir werden vom halben Dorf empfangen, mehrere Oldtimers aus den 1930er Jahre stehen in einer Reihe am Bahnhof und alle winken uns zur Begrüssung begeistert zu. Christoph und ich werden mit einem Taxi zum Hotel gefahren, Mr. Ed reist uns im Bus mit den übrigen Passagieren hinterher. Der Taxifahrer ist ein junger Typ, der lieber mit seinem Funkpartner als mit uns spricht und zum Schluss ein knappes Thank you über die Lippen bringt. Er ist wohl eher am Geld oder Feierabend als an uns interessiert.

Umso herzlicher werden wir vom Desk Manager im Hotel begrüsst. Er scheint noch etwas ausser Atem und deutet auf den Swiss Trac. Der sei ja schön schwer (stimmt, 65 kg), und für was der denn sei. Christoph demonstriert mit Mr. Ed und die Augen des sehr rundlichen Desk Managers werden gross und grösser. Er ist sehr hilfsbereit und erfüllt uns jeden Sonderwunsch bezüglich Badezimmer-Ausstattung. 

Leider haben wir zu wenig Zeit, um uns den Ort genauer anzusehen. Quesnel war früher ein strategisch wichtiger Ort. Hier fliesst der Fluss Quesnel in den Fraser River, was besonders zur Gold Rush-Zeit eine grosse Bedeutung hatte. Quesnel war bis in die 1940er Jahre ein wichtiger Handelsort für Gold. Danach folgte die Land- und Waldwirtschaft. Mit der Erschliessung durch die Pacific Great Eastern Railway 1921 bekam Quesnel die Anbindung an das kanadische Eisenbahnnetz. Heute hat die Stadt Schulen, vier Spitäler, ein Theater und sogar einen Flughafen.

Die Reise geht am nächsten Morgen um 7.15 weiter. Wieder fahren wir durch unendliche Wälder, ab und zu wird der Fraser River sichtbar und fast jedes Mal in einer anderen Farbe. Je nach Art der mitgeführten Sedimente ist der Fluss blau, grün oder braun. Wir fahren Seen entlang, durch Täler, die sich uns mit unterschiedlichen Vegetationen zeigen: Steppen ähnlich, Wiesen mit Kühen, Pferden oder Schafen, fein duftende Heuwiesen, Moorlandschaften. Es gibt immer etwas Neues und Andersartiges zu entdecken. Und plötzlich sehen wir am Horizont die ersten Bergspitzen der Rocky Mountains. Es dauert aber noch Stunden, bis wir ihre volle Grösse und Masse vor uns haben. Der höchste Berg der Rockies, Mount Robson, zeigt sich uns mit seinem Gipfel mit ewigem Schnee in voller Grösse vor strahlend blauem Himmel. Eine Seltenheit, wie uns schon im letzten Herbst beschieden wurde. Scheinbar ist er uns milde gestimmt, zweimal besuchen wir ihn und zweimal sehen wir ihn in seiner ganzen mächtigen Pracht.

Das weite Tal wird nun von Bergen eingesäumt. Verschiedenste Formen und Farbmuster wechseln sich ab. Der Fraser River mündet in einen grossen, grünen See. Das ist sein Ursprungsort, wir sind an seiner Quelle angelangt. 

Die Berge rücken näher zusammen. An ihren Hängen wachsen die schier endlosen Kiefernwälder. Sie sind zweifarbig: grün und rostbraun. Wir fragen uns woher das kommt. Zuwenig Wasser, herbstliche Verfärbung? Die Hosts klären uns auf: durch die wärmeren Sommer in Teilen der Rockies konnten sich die Beetles, die Borkenkäfer, stark vermehren. Sie legen ihre Eier in den Wurzeln der Kiefern ab und wenn keine kalten Winter die Eier vernichten, schlüpfen die Larven und fressen den Baumstamm von innen bis er ausgehöhlt ist. Es dauert ca. ein Jahr bis der Baum hohl, dürr und braun ist. Schliesslich fällt der Baum um und die Borkenkäfer ziehen weiter. Die Kanadier versuchen nun ihre Wälder zu retten. Einerseits besprühen sie die riesigen Waldflächen mit einem Mittel gegen die Schädlinge, sie räumen die dürren Bäume aus den Wäldern oder roden ganze Waldstücke mit Feuer. Das Feuer vernichtet die Borkenkäfer und gibt dem Boden und dem Wald eine gute Voraussetzung sich zu regenerieren. Aus diesem Grund begegnen wir ab und zu riesigen Flächen verkohlter Bäume.

Ja, und dann heisst es langsam Abschied nehmen. Wir werden noch mit einem Lunch verwöhnt, stossen alle nochmals gemeinsam an und fahren schliesslich unter Applaudieren im Bahnhof Jasper ein.

Drei Tage voller Eindrücke, unendlich viele unterschiedliche Landschaftsbildern und viele spannenden Geschichten aus der Goldgräberzeit begleiten uns, als wir mit grosser Dankbarkeit das letzte Mal aus dem Rocky Moutaineer steigen.

Von Whistler nach Quesnel

Der Wecker klingelt um 4.30 Uhr. Reichlich früh! Doch wir stehen freudig auf. Ein spannender, schöner und ereignisreicher Tag erwartet uns, dessen sind wir sicher.

Um 7.15 Uhr ziehen die beiden Loks an, und wir bekommen als erstes das Frühstück serviert. Ja, richtig, im Rocky Mountaineer wird man nicht nur visuell mit Landschaften verwöhnt, sondern auch gustatorisch mit feinen Menüs, die von der Bordköchin in einer winzigen Kombüse hergerichtet und von den Hosts serviert werden.

Der Zug fährt auf den Spuren der Goldgräber dem Fraser River entlang. Simon Fraser war einer der ersten Goldgräber, der als 16-Jähriger nach Kanada kam (siehe Beitrag vom Oktober 2018 „Von Vancouver nach Kamloops“). Auf der ganzen Strecke finden sich immer noch Spuren von ihm: er hat Städte gegründet, Flüsse benannt, Täler entdeckt. Er hatte eine starke Vorreiterrolle für alle die vielen Goldgräber nach ihm.

Die Strecke überbietet sich selbst mit abwechslungsreichen und gegensätzlichen Landschaften: zuerst sehen wir den Fraser River als Bach, der sich durch Canyons windet, dann folgen wir ihm an mehreren intensiv grünen Seen entlang. Es folgen immense Sägewerke mit Stapeln von Holzstämmen, die bewässert werden, um sie vor einem Brand zu schützen. Oder die zugeschnittenen Bretter werden in Folie gepackt und sind bereit für den Verlad in die Container. Sie werden auf Güterzüge, später auf Schiffe verfrachtet und reisen so in die ganze Welt. Auf einer Zugangsstrasse zu einem der Werke sehen wir plötzlich einen Schwarzbären traben. Unser erster Bär auf dieser Reise!

Danach verschwindet der Fraser River für lange Zeit. Der Zug kämpft sich bergauf. Wir erreichen eine karge, trockene Berglandschaft mit Felsklüften, trockenen Stauden, die an Ginster erinnern, gelben Blumen, die ähnlich ausschauen wie der gelbe Bergenzian bei uns im Jura. Wir sehen hier eine Art Erdhäuser, die den Goldgräbern als Unterkunft dienten. Sie haben einen Innenraum, wurden mit Erde überdacht und die Eingänge wurden mit dürren Ästen gekennzeichnet. Nur so sind sie in der Landschaft erkennbar.

Der Fraser River taucht wieder auf. Er hat an Breite gewonnen und seine Farbe hat sich von grün in braun verwandelt. Am Ufer werden behelfsmässige Unterstände aus Stöcken und farbigen Blachen sichtbar. Sie gehören den Indigenen dieser Gegend. Die First Nations, wie sie in Kanada genannt werden, haben die Bewilligung, hier Lachse zu fangen. Sie betreiben den Fischfang nach alter Tradition und mit gebührendem Respekt der Natur gegenüber. Das heisst, sie fischen nur soviel, wie sie für den Eigenbedarf brauchen. Es ist ihnen untersagt, mit den Lachsen zu handeln oder sie zu verkaufen. Ihre Fangstellen wählen sie geschickt aus. Sie fischen bei den Stromschnellen oder den Fischtreppen, die für die Lachse gebaut wurden. Wenn die Lachse springen müssen, haben die Fischer ein leichtes Spiel.

Je weiter bergabwärts der Zug fährt desto grüner wird die Landschaft und desto breiter der Fraser River. Wir fahren durch weite, wirklich weite Ebenen, sehen vom Waldbrand betroffene schwarze Baumhaine, die aber schon wieder von grünem Boden und gelben Blumen umgeben sind. Der natürliche Waldbrand wird hier auch als Boden- und Kulturerneuerer geschätzt und oft nicht gebannt.

Die Wälder werden dichter, der Fluss drängt sich wieder durch Schluchten, wird breiter und breiter, die Landschaft weiter bis wir beim Einachten in den Bahnhof von Quesnel einfahren.

Von Vancouver nach Whistler

Pünktlich um 7.10 Uhr werden wir von einem etwas griesgrämigen Taxifahrer abgeholt. Er will uns nach North Vancouver fahren, wir aber sagen ihm, dass wir zur Trainstation vom Rocky Mountaineer müssten. Er informiert seine Zentrale und beschwert sich über die falsche Information. Als wir an der Trainstation ankommen, ist das Eingangstor verschlossen. Das Taxi fährt durch eine Einbahnstrasse zum Eingang. Niemand ist zu sehen, bis auf eine mit ihrem iPhone beschäftigte Frau. Als sie uns sieht, springt sie auf und informiert uns, dass der Mountaineer in der kurzen Formation von der Station in North Vancouver aus startet. Das Gesicht des Fahrer verfinstert sich wie der Himmel bei einer herannahenden Gewitterfront. Zum Glück haben wir noch nichts ausgeladen! Die Zeit drängt langsam, der Fahrer gibt Gas. Er beklagt sich bei der Zentrale und gibt seinem Unmut freien Lauf. Dabei scheint seine grösster Kummer der finanzielle Ausgleich seiner längeren Fahrt zu sein. Christoph sieht es viel locker: Nun weiss ich wenigstens, wie ich zukünftig gratis zu einer Stadtrundfahrt komme. Hm … Wie oft sich dies wohl bewerkstelligen liesse? Aber das ist ja nicht das Thema hier.

Endlich landen wir am richtigen Bahnhof. Grosszügig strecke ich dem Fahrer 20$ Trinkgeld für die Umstände hin. Er nimmt das Geld und meint mit unzufriedenem Gesicht: das sei zuwenig, es koste 37$ … By the way: er wird ordentlich von der Mountaineer Gesellschaft bezahlt.

Um so herzlicher werden wir nun von der Rocky Mountaineer Crew begrüsst. Jeder der erfährt, dass wir schon im letzten Jahr mitfuhren, strahlt noch eine Nuance mehr und ruft begeistert: Welcome again!

Nachdem auch Christoph und Mr. Ed via Hebelift im Zug ihren Platz gefunden haben, kann’s losgehen.

Wir fahren über Brücken, durch grüne Baumkanäle, an tiefen Schluchten mit eisblauem Wasser vorüber. Kanada hat uns wieder! Vertraute Bilder mischen sich mit neuen, die Landschaft ist zum Teil ähnlich wie bei der letzten Zugsfahrt und doch auch ganz anders. Die schier unendliche Landschaft, der grüne Baumteppich bis zum Horizont. Diesmal sind wir auf den Spuren der Goldgräber, die sich durch die engen Schluchten vorgekämpft haben, um ihr vermeintliches Glück zu finden.

Am Mittag erreichen wir unser heutiges Ziel: Whistler. Ein Dorf, das durch die olympischen Winterspiele Vancouver 2010 einen enormen Boom erlebt hat. Zahlreiche Gondelbahnen und Skilifts transportieren im Jahr 3,5 Millionen Besucher, Wanderer, Skifahrer oder Mountainbiker auf die umliegenden Berge. Breite Waldschneisen deuten auf die winterlichen Skipisten hin, jetzt sind die Hügel zum Teil braun von den Mountainbike-Trails.

Whistler liegt in einem wunderschönen Hochtal, ist von riesigen Parks und zahlreichen Wander- und Fahrradwegen umgeben. Ein grünes Paradies.

Wir sind an einem Samstag hier und zudem am letzten verlängerten Wochenende dieses Sommers, wie uns unsere Hosts erzählen. Entsprechend voll sind die Wege um und die Strassen in Whistler.

Wir wollen dem Dorf einen Besuch abstatten, doch bald müssen wir feststellen, dass dies so gar nicht unsere Welt ist, und wir fühlen uns hier nicht besonders wohl. Die Hotelbauten und Geschäfte scheinen wie aus dem Boden gestampft. Es reihen sich Restaurants an Pizzerien, Sportbekleidungsgeschäfte an Mountainbike-Verleiher. Menschentrauben stehen vor den Gondelbahnen an. Wir beschliessen, zurück ins Hotel zu gehen. Unterwegs stehen wir plötzlich inmitten eines Farmer Markets. Etwa ein Dutzend Marktstände bieten Eigenprodukte aus der Umgebung an. Wir lassen uns treiben und sind froh, neben den Parks doch noch eine ansprechende Seite von Whistler gefunden zu haben.

Stanley Park Vancouver

Vancouver empfängt uns wie das letzte Mal mit seinen gläsernen Häuserfronten. Vieles wirkt schon vertraut und ein Gefühl von Heimkommen kommt bei mir auf. 

Nach dem ereignisreichen Flugreisetag (vergl. Sprengstoffspuren im Handgepäck!) gönnen wir uns am nächsten Tag ein ausgiebiges amerikanisches Frühstück und machen uns dann auf zu einer gemütlichen Entdeckungstour im vom Hotel nahegelegenen Stanley Park.

Die Wege sind gut ausgebaut und säuberlich aufgeteilt in zwei Spuren: eine für die Fussgänger und eine für die Fahrradfahrer und Skater. Es empfiehlt sich sehr, sich an diese Aufteilung zu halten. Die unzähligen Fahrradfahrer mit sehr unterschiedlich guter Fahrpraxis rasen ungebremst an unserem Trio vorbei. Mr. Ed zählt in solchen Momenten auch zu den Fussgängern, obwohl wir nicht ganz sicher sind, ob ihm diese Einteilung ganz gerecht wird. Zumal er manchmal ganz schön schnell unterwegs und in seinem Unternehmungsdrang kaum zu bremsen ist.

Also, wir sind brav auf der Fussgängerspur unterwegs. Der Weg führt uns einem Hafen entlang, danach durch einen Wald und plötzlich stehen wir auf einer Lichtung vor einer Reihe Totempfähle. Entgegen meiner Vorstellung, diese hätten den Indianern als Totenpfähle für ihre Feinde gedient, werde ich hier eines Besseren belehrt. Die Totempfähle wurden wichtigen Persönlichkeiten zu besonderen Ereignissen geweiht. Sie sind mit wichtigen Symbolen verziert: der Adler und der Rabe stehen für den Himmel und das Universum, der Wal für das Wasser und die Meere, der Grizzlybär für die Kraft und die Erde. Manche erzählen Geschichten und berichten von den besonderen Ereignissen.

Wir lassen diese Geschichten erzählenden bunten Riesen hinter uns und spazieren der Bucht entlang. Man sieht von einem Leuchtturm aus auf North Vancouver, ein Wohn- und Industriequartier, auf eine grüne Hängebrücke, auf einen auslaufenden Kreuzfahrtriesen, auf immense Frachtschiffe, die mit unzähligen Containern beladen sind und über uns kreisen unzählige Wasserflugzeuge, die von der Waterfront aus starten, um den Touristen Vancouver aus der Vogelperspektive zu zeigen.

Quer durch den schön angelegten Park mit alten Bäumen, Nüsse knabbernden Eichhörnchen und schnatternden Gänsen machen wir uns auf den Weg zurück ins Hotel. Morgen heisst es früh aufstehen: der Rocky Mountaineer erwartet uns.