Un conducteur rolli à Montréal

Bei meinen Überlegungen zum Titel kam mir sehr schnell das Lied An Englishman In New York von Sting in den Sinn. Das Lied beginnt mit der Aussage I’m an Alien (Ich bin ein Fremder). Fremd fühlte ich mich nicht als Ausländer, sondern als Rollstuhlfahrer. Den Zug von Kingston konnte ich schnell verlassen. Das Perron war auf die Höhe des Waggoneingangs gebaut (ca. 1,5 m über der Schiene) und in Montreals Untergrundbahnhof stand der Schweizer Konvoi bald in der Bahnhofshalle, bereit den Weg zum Hotel in Angriff zu nehmen. Die Angaben, welchen Ausgang man wo erreicht, sind gut sichtbar. Boulevard Robert Bourassa, Rue Belmont oder Rue de la Gauchetière heissen die Ausgänge und, so habe ich sie recherchiert, wären für uns gut, schnell das Hotel erreichen zu können.

Nur mit dem Schnell ist es so eine Sache. Ausgang Boulevard Robert Bourassa endet für einen Rollstuhlfahrer in einer Sackgasse: Rolltreppe respektive Treppe. Klar, es gibt Rollifahrer, die Rolltreppen nehmen und so Etagen überwinden. Wäre für mich das köperlich machbar (ist es nicht), käme es trotzdem nicht in Frage. Ich hätte Angst beim Aufwärtsfahren vor dem Rückwärtsfallen. Also machen wir uns auf, unser Glück beim Ausgang zur Rue Belmont zu versuchen. Das Resultat ist das gleiche. Das wiederholt sich auch für die Rue de la Gauchtière. Der Bahnhof spült uns nicht wieder an die Oberfläche. Sehnsucht nach dem Präriebahnhof Kingston kommt auf. Gedanken fliegen durch den Kopf und die Suche nach geeigneten Bänken als Schlafgelegenheit. Werden wir Montreal überhaupt einmal anschauen können, bevor unser Reise weiter nach Ottawa geht?

Montreals Bahnhof an einem Freitagabend um 21 Uhr ist fast ausgestorben. Vereinzelt sitzen noch Leute in den wenigen (etwa 15%) offenen Schnellimbissrestaurants. Die Schalter der Viarail sind längst geschlossen, die letzten Züge aus Ottawa und Toronto werden Montreal gegen 22 Uhr erreichen. Dann schliessen sie den Bahnhof und öffnen ihn erst wieder am Samstagmorgen. Schöne Aussichten! Irgendwann erblicken wir einen dunkelhäutigen Beamten, der bei einer Bahngesellschaft angestellt zu sein scheint, die für den Nahverkehr zuständig ist. Der rundliche Mann ist unsere Hoffnung. Vera versucht auf französisch ihm zu erklären, dass wir auf der Suche nach einem Lift seien und ob er uns weiterhelfen könne. Zuerst verstand er oder wollte er unser Französisch nicht verstehen. Als er bemerkte, dass wir beharrlich blieben, reagierte er auf unsere Frage. Seine Antwort war aber eine Enttäuschung: Nein, er wisse nicht ob und wo ein Lift wäre, er nähme IMMER die Treppe. Hatte ich seinen rundlichen Körper zu lange gemustert?

Weitersuchen war angesagt. Wir hatten das Gefühl, alle möglichen Ausgänge schon abgeklappert zu haben. Hinter keinem Restaurant, neben keinem Geschäft und in keiner dunklen Ecke liess sich eine Art von Aufzug finden, die auch nur annähernd rollstuhltauglich gewesen wäre. Was tun? Die Rolltreppe trotzdem nehmen?

Unsere (oder besser geschrieben meine) Rettung nahte von hinten. Ich vermute, der Sicherheitsmann hat uns Suchende länger beobachtet und sich uns dann doch noch erbarmt. Jedenfalls erklärte er uns ausführlich, es gäbe ausserhalb der Bürozeiten nur einen Lift, den man nehmen könne. Und ER wisse, wo der sei. Tatsächlich führte der Lift eine Etage höher und eine Hotelhalle durchquerend erreichten wir die Rue Belmont und eine halbe Stunde später waren wir in unserer Unterkunft.

In Montreal gibt es seit den 1960er Jahren die Undergroundcity. 30 Kilometer Gänge, Passagen und Wege, die die halbe Stadt unterqueren. Soll ich nun erzählen, wie lange wir einen Eingang suchten und was wir alles erlebten? Ich lasse es, weil der Beitrag viel zu ausführlich wird. Ebenso lasse ich meine Ausführungen zur Gastronomie in Montreal sausen. Das Suchen von rollstuhlgängigen Restaurants ist in Montreal wesentlich einfacher als das Finden. Ausgenommen, man gibt sich mit Fastfood zufrieden…

More to come – stay tuned!

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