Kopenhagen vom Schiff aus

Um eine Stadt in möglichst kurzer Zeit zu entdecken und mit Informationen zu ihrer Geschichte und Kultur eingedeckt zu werden, gibt es zwei Möglichkeiten: Hop-on, hop-off im Bus oder in Städten mit Flüssen oder Kanälen eine Stadtrundfahrt per Schiff. Da Kopenhagen, ähnlich wie Amsterdam, mit Kanälen durchzogen ist, habe ich schnell entschieden. Eine Schifffahrt muss es sein. Leider sind die Schiffe für Rollstuhlfahrer wie Christoph nicht zugänglich. Sie liegen flach im Wasser, damit sie unter den niedrigen Brücken durchkommen, sind fest bestuhlt, so dass für einen Rollstuhl kein Zugang und kein Platz ist. Christoph hat eine solche Schiffsrundfahrt zum Glück schon vor zehn Jahren gemacht, als er noch ohne Rollstuhl unterwegs war. So ist mein schlechtes Gewissen beruhigt. Vor allem da Christoph den Plan verfolgt, den Crêpes-Stand von vor zehn Jahren zu suchen und sich eine seiner heiss geliebten Crêpes zu gönnen. Bananen-Nutella müsste es sein, genau so wie vor zehn Jahren. Ob er wohl fündig wird? Ich habe da so meine Zweifel!

Ich drängle mich durch die Menschenmassen im Nyhaven, stehe für mein Ticket an und steige schliesslich in das flache Schiff, von wo aus man das Wasser leicht berühren könnte. Pünktlich um 14.15 Uhr legt der Kapitän ab. Der Reiseführer warnt uns vor den niedrigen Brücken, die seien hart und würden unseren Köpfen nicht gut bekommen. Auch sollen wir nicht mit den Fingern die Decken der Brücken berühren. Diese seien sehr schmutzig und klebrig und die Brückenmauern seien immer stärker als unsere Finger … Schon fahren wir unter der ersten Brücke durch, instinktiv zieht man den Kopf ein, obschon ca. 20 cm Platz zwischen Brückenbogen und Kopf bleibt. Aber nach dieser Vorwarnung sind alle Passagiere vorsichtig.

Wir verlassen den Nyhaven und fahren in die Meeresbucht hinaus, vorbei an der modernen Oper. Sie hat ein flaches Dach, das ans KKL in Luzern erinnert. Von diesem Dach springen im Sommer waghalsige Jugendliche ins Meer. «Just for fun», wie der Führer erzählt. Wir fahren weiter raus, die früheren Kasernen der Königlichen Armee ziehen vorbei, weiter hinten sieht man einen hohen Kamin neben einem modernen, abgeschrägten Bau. Das sei die Abfallverbrennungsanlage, die gleichzeitig ein Freizeitzentrum fürs Fassadenklettern und fürs Skifahren während des ganzen Jahres sei. Erstaunlich, wie die Dänen es schaffen, das Nützliche mit dem Vergnügen zu verbinden.

Wir nähern uns dem anderen Ufer der Bucht und eine Menschenansammlung wird sichtbar. Was da wohl zu sehen ist? Wohin pilgern alle, die nach Kopenhagen kommen? Richtig, zu der kleinen Meerjungfrau. Klein wirkt sie wirklich, wie sie auf einem Felsen im Wasser unweit des Ufers sitzt. Gerade weit genug, damit sich nicht alle trauen zu ihr auf den Felsen zu klettern, sie aber doch fotografieren können. Eigentlich wollte ich diese Statue auch besuchen. Doch jetzt, da ich die Menschenmenge sehe, begnüge ich mich mit der berühmten Rückenansicht. Irgendwie tut mir diese Kunstwerk fast leid. Die kleine Meerjungfrau wurde 1921 erschaffen, Modell standen die Geschichte von Hans Christian Anderson und eine Balletttänzerin. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Jungfrau zweimal geköpft und ein Stück aus ihrem Arm entfernt. In der Stadt findet man Ansichtskarten mit ihr als Sujet vor kitschigen Sonnenuntergängen oder zwischen überdimensionierten Schwänen. Ich für mich verstehe nur zu gut, weshalb die kleine Meerjungfrau so betrübt und wehmütig ans Ufer mit den fotografierenden und betatschenden Touristen schaut.

Weiter geht die Fahrt an den königlichen Palästen vorbei, durch ein holländisches Quartier, das von den Holländern zur Zeit des Seehandels mit Indien erbaut wurde. Fährt man durch diesen Kanal, wähnt man sich einmal mehr in Amsterdam. Zum Schluss fährt unser Schiff vor dem riesigen Glasbau der Staatsbibliothek durch, sie sei europaweit die grösste Bibliothek. Dann ist da noch das alte Haus, in dem die Familien der königlichen Soldaten im Mittelalter gratis hochgradigen Alkohol beziehen konnten. Damit sollten die Familien, auch die Kinder, vor den Colibakterien und vor Cholera geschützt werden. Ob wohl deshalb der Alkohol in Dänemark heutzutage so teuer ist? Um dem übermässigen Desinfektionsbedürfnis entgegenzuwirken? Darüber hat uns der Führer nichts erzählt.

Die Fahrt endet wieder im berühmten Nyhaven. Den Nachmittag verbringen wir im «Holländischen Quartier», das durch grosszügige Promenaden, ruhige Strassen und architektonische Vielfalt besticht. Über eine der vielen Velobrücken gehen wir zurück zum Hotel, voll neuer Eindrücke und mit dem Wissen, dass Kopenhagen viel und noch viel mehr zu bieten hat.

More to come. Stay tuned!

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