Mr. Ed berichtet von seinen Erfahrungen

Ich, Mr. Ed, sage es ehrlich: Ich bin froh, wenn man mich am Mittwoch in den Kofferraum des Mietwagens steckt und ich einfach meine Ruhe haben und mich erholen kann.

Schon auf der Kreuzfahrt hiess es, früh für meinen Passagier da zu sein. Kaum war ich durch die enge Kabinentür nach draussen bugsiert, hiess es Lift fahren und am Frühstücksbuffet schauen, dass niemand Schaden von der Fahrweise meines Meisters nimmt. Besonders gefährdet waren asiatische Füsse und Beine, weil deren Besitzer einfach nicht so aufmerksam sind.

Von den Ausflügen wurde hier schon berichtet. Ich möchte einfach anfügen, dass meine störrische Phase zum Schutz meines Meisters gedacht war. Aber sein Übermut nach den ersten guten Erfahrungen von ihm mit mir, hat ihn zügellos gemacht. Vielleicht hat die Lektion in Victoria gewirkt. Wobei, nach viereinhalb Tagen San Francisco bin ich mir da nicht mehr so sicher.

Nach dem Ausschiffen war ich wieder als Anhängerzug unterwegs. Gefragt hat niemand, ob mein Motor mit diese Last nicht schlapp macht. Der Koffer als Anhänger war nicht wirklich schwerer als beim Einschiffen. Diesmal ging es aber ein wenig den Berg hinauf und mein Motor musste Höchstleistungen erbringen. Da wusste ich ja noch nicht, was mich am Sonntag erwarten würde. Aber schon der Freitag hatte es in sich, denn mein Meister hat sich auf dem Schiff ein paar Kilogramm angefuttert und dass ihm immer wieder Leute von hier helfen, führt nicht zu mehr Bewegung und folglich zum Kalorien verbrennen. Selbst an der Shoppingkasse verstaute die Kassiererin das Eingekaufte im Rucksack, der an mir hängt.

Als sein Sohn am Samstag eintraf, ging’s erst richtig los. Mein Meister und ich waren schon den ganzen Tag in der weltberühmten Fisherman’s Wharf unterwegs. Da wurden Meilen geradelt. Und es war nicht nur der warme Asphalt, der meine Räder fast zum Glühen brachte. Und eben mit seinem Sohn zusammen spulten wir nochmals einige Meilen ab. Vielleicht müsste mein Motor mal streiken, damit mein Meister nicht so leicht vorwärts kommt.

Am Sonntag ging’s da schon bald einmal los mit einer Stadtbesichtigung. San Francisco ist hügelig und so sind auch die Strecken zum Teil recht steil. Die Distanz war geschätzt etwa fünf Meilen. Etwas Pause durfte ich im Cable Car-Museum machen. Danach zum Union Square und via Market Street und Chinatown zurück zum Hotel. Das Abendprogramm war etwas kürzer, aber nicht weniger mühsam.

Was ich nicht begreife ist die Tatsache, weshalb meinem Meister so viele Passanten helfen wollen, wenn er mal wieder einen Trottoirabgang – Amerika ist vorbildlich in der Frage der Rollstuhlerreichbarkeit – nicht auf Anhieb findet und den Ratlosen spielt. Wahrscheinlich liegt das daran, dass mein Meister alle Leute anstrahlt. Er strahlt mit der Sonne um die Wette. Nur Dank der nebel- und wolkenfreien Tage gewinnt die Sonne mit hauchdünnem Vorsprung.

Am Montag hätte ich eigentlich einen Ruhetag verdient. Aber daraus wurde nichts. Angesagt war eine Hop-on, Hop-off-Tour. Und das Ein- und Ausfahren des Rollstuhls in und vom Bus wäre schon genug anstrengend. Aber was macht er? Er steigt aus, um ein paar farbig angemalte Häuser (Painted Ladies) anzuschauen. Und anstelle dann mit dem Bus weiterzufahren, läuft mein Meister und sein Sohn zwei Stationen zu Fuss. Und als Dank verlaufen sie sich. Fixnudelfertig war ich am Ende der Tour. Aber sie mussten ja unbedingt noch etwas essen gehen. Todmüde fiel ich in einen tiefen Schlaf.

Der Montag war etwas ruhiger. Zum Glück, denn mein Meister hatte weniger Kraft (und Muskelkater) und so musste ich wieder mehr leisten. Auch heute bin ich wieder recht erschöpft und bin froh, wenn ich wieder „Pfuus“ bekomme. Aber morgen, das sage ich euch, wenn ich im Kofferraum verstaut bin, dann heisst es für mich, Energie sparen. Dann sollen andere für meinen Meister etwas tun. Mich lässt man am besten in Ruhe. Ansonsten streike ich einfach einen Tag.

Aber die Tage in San Francisco bleiben mir trotzdem in guter Erinnerung. Erstens habe ich es meinem Meister möglich gemacht, dass er so viel sehen und bestaunen konnte. Was würde er nur machen, gäbe es mich nicht? Mit seinem Gehstock wäre er nie so weit gekommen; und ich hätte nicht so viel von der Stadt gesehen. Und der Spass beim Fotoshooting mit dem Cable Car werde ich nie vergessen. Haben die Leser dieses Blogs überhaupt herausgefunden, wie das ging?

So nun lege ich mich wieder an den Pfuus. Ich freue mich auf den Ruhetag morgen. Aber wer weiss, ob dem Meister und seinem Sohn nicht wieder irgendwelche Ideen einfallen, die unbedingt realisiert werden müssen. Aber dafür bin ich ja da. Oder nicht?

Stay tuned.