Versteckte Kirchen

Früher machte ich Reisen, um Kirchen zu besichtigen und sie kunsthistorisch und theologisch zu verstehen. Später habe ich mich in die Materie vertieft, Gruppen geführt und versucht, die Teilnehmenden für die sakrale Kunst zu begeistern.

Wenn ich heute unterwegs bin, was ich als Früherzieherin ja viel bin, fallen mir die Kirchen immer sofort ins Auge. In der Zentralschweiz sind es meist riesige Gotteshäuser, die von weit her sichtbar sind.

Hier in Kanada stelle ich fest, dass ich eher zufällig auf Kirchen stosse. Mein Augenmerk richtet sich in den Grossstädten wohl oder übel zuerst auf die himmelsstrebenden Hochhäuser. Diese locken ja auch mit glänzenden, spiegelnden Riesenfassaden und spannender Architektur. In Vancouver entdecke ich an einer Kreuzung zwischen Hochhäuser eingeklemmt eine Kirche. Klein ist sie nicht, wie man vielleicht aus meiner Schilderung entnehmen könnte. Nein, sie hat eine stattliche Grösse, ist, wie viele Kirchen Kanadas, im neugotischem Stil des 19. Jahrhunderts gebaut. Früher wirkte sie sicher gross und erhaben, und sie würde es heute noch tun, wäre sie freistehend, ohne die Glasgiganten rechts und links. So würde ich sie sicher sofort wahrnehmen, wie sie in der Realität ist. Diese erste Kirche hat mir geholfen, meinen Blick wieder kirchenorientiert auszurichten. Und siehe da: es gibt sie zuhauf. Mehr oder weniger versteckt wie in Vancouver finde ich sie auch in Calgary, Toronto, Kingston und Montreal. Mal werden die Nachbarshäuser oder -glastürme direkt an die Kirchenfassade gebaut, mal stehen die Gotteshäuser auf einem Platz, gehen aber in der Fülle des Gigantismus der umliegenden Häuser verloren.

Bei solchen Beobachtungen gehen mir so einige Gedanken durch den Kopf: früher wurden die Kirchenbauten dem Umfang des vorhandenen Geldes angepasst, doch waren die Grösse des Kirchenschiffes und die Höhe der Türme wichtig für das Ansehen einer Stadt. Heute scheint es nicht viel anders zu sein. Toronto gilt als ehrgeizige Stadt und baut die schwindelerregend hohen Hochhäuser und Türme. Auch in Vancouver macht sich dieses Phänomen breit. Ein vordergründiges Macht -und Geldgehabe? In den Nebenquartieren findet man auch in diesen Städten das normale Leben sehr unterschiedlicher Bevölkerungsschichten.

Doch es gibt auch Ausnahmen bei den versteckten Kirchen. Solche sehe ich immer wieder in Kleinstädten oder Dörfern. Hier stehen sie freier und werden nachts gar beleuchtet. So gesehen auf der Zugfahrt von Montreal nach Ottowa.

This entry was posted in Reisen.