Von Whistler nach Quesnel

Der Wecker klingelt um 4.30 Uhr. Reichlich früh! Doch wir stehen freudig auf. Ein spannender, schöner und ereignisreicher Tag erwartet uns, dessen sind wir sicher.

Um 7.15 Uhr ziehen die beiden Loks an, und wir bekommen als erstes das Frühstück serviert. Ja, richtig, im Rocky Mountaineer wird man nicht nur visuell mit Landschaften verwöhnt, sondern auch gustatorisch mit feinen Menüs, die von der Bordköchin in einer winzigen Kombüse hergerichtet und von den Hosts serviert werden.

Der Zug fährt auf den Spuren der Goldgräber dem Fraser River entlang. Simon Fraser war einer der ersten Goldgräber, der als 16-Jähriger nach Kanada kam (siehe Beitrag vom Oktober 2018 „Von Vancouver nach Kamloops“). Auf der ganzen Strecke finden sich immer noch Spuren von ihm: er hat Städte gegründet, Flüsse benannt, Täler entdeckt. Er hatte eine starke Vorreiterrolle für alle die vielen Goldgräber nach ihm.

Die Strecke überbietet sich selbst mit abwechslungsreichen und gegensätzlichen Landschaften: zuerst sehen wir den Fraser River als Bach, der sich durch Canyons windet, dann folgen wir ihm an mehreren intensiv grünen Seen entlang. Es folgen immense Sägewerke mit Stapeln von Holzstämmen, die bewässert werden, um sie vor einem Brand zu schützen. Oder die zugeschnittenen Bretter werden in Folie gepackt und sind bereit für den Verlad in die Container. Sie werden auf Güterzüge, später auf Schiffe verfrachtet und reisen so in die ganze Welt. Auf einer Zugangsstrasse zu einem der Werke sehen wir plötzlich einen Schwarzbären traben. Unser erster Bär auf dieser Reise!

Danach verschwindet der Fraser River für lange Zeit. Der Zug kämpft sich bergauf. Wir erreichen eine karge, trockene Berglandschaft mit Felsklüften, trockenen Stauden, die an Ginster erinnern, gelben Blumen, die ähnlich ausschauen wie der gelbe Bergenzian bei uns im Jura. Wir sehen hier eine Art Erdhäuser, die den Goldgräbern als Unterkunft dienten. Sie haben einen Innenraum, wurden mit Erde überdacht und die Eingänge wurden mit dürren Ästen gekennzeichnet. Nur so sind sie in der Landschaft erkennbar.

Der Fraser River taucht wieder auf. Er hat an Breite gewonnen und seine Farbe hat sich von grün in braun verwandelt. Am Ufer werden behelfsmässige Unterstände aus Stöcken und farbigen Blachen sichtbar. Sie gehören den Indigenen dieser Gegend. Die First Nations, wie sie in Kanada genannt werden, haben die Bewilligung, hier Lachse zu fangen. Sie betreiben den Fischfang nach alter Tradition und mit gebührendem Respekt der Natur gegenüber. Das heisst, sie fischen nur soviel, wie sie für den Eigenbedarf brauchen. Es ist ihnen untersagt, mit den Lachsen zu handeln oder sie zu verkaufen. Ihre Fangstellen wählen sie geschickt aus. Sie fischen bei den Stromschnellen oder den Fischtreppen, die für die Lachse gebaut wurden. Wenn die Lachse springen müssen, haben die Fischer ein leichtes Spiel.

Je weiter bergabwärts der Zug fährt desto grüner wird die Landschaft und desto breiter der Fraser River. Wir fahren durch weite, wirklich weite Ebenen, sehen vom Waldbrand betroffene schwarze Baumhaine, die aber schon wieder von grünem Boden und gelben Blumen umgeben sind. Der natürliche Waldbrand wird hier auch als Boden- und Kulturerneuerer geschätzt und oft nicht gebannt.

Die Wälder werden dichter, der Fluss drängt sich wieder durch Schluchten, wird breiter und breiter, die Landschaft weiter bis wir beim Einachten in den Bahnhof von Quesnel einfahren.